: „Milchpulver bekam ich aus Südafrika“
taz: Thea Rosie, du warst die Säzzerin, die 1986 den täglichen Strahlen-Kompass in der taz machte.
Thea Rosie: Genau. Nach Tschernobyl hatten wir eine tägliche Rubrik auf der Seite 2, den „Strahlen-Kompass“. Als Service für die Leserinnen und Leser. Das war eine umfangreiche Liste über die Becquerel-Werte in Milch, Tee, Nüssen, Wildfleisch und allen möglichen Pilzarten.
Wurde einem da nicht angst und bange?
Klar, weil die Atomkatastrophe, die ja nicht zu sehen, zu hören, zu riechen war, dort täglich sichtbar gemacht wurde. Dazu kommt, dass ich in dieser Zeit besonders aufmerksam sein musste.
Inwiefern?
Mein Kind war gerade acht Monate alt. Und trotz wunderschönen Frühlingswetters wurde in Berlin davon abgeraten, in Parks, auf Spielplätze zu gehen. Also blieb ich mit meinem Kind in dieser Zeit vorwiegend in der Wohnung. Unbelastetes Milchpulver bekam ich von meiner Schwester aus Südafrika.
Die taz hatte mit ihrer Tschernobyl-Berichterstattung enormen Zulauf.
Ja, die taz berichtete sehr gut, sehr kompetent. Wo andere Medien sich noch in die Thematik einarbeiten mussten – was ist eine Kernfusion, was ist Berstschutz, was genau ist in Tschernobyl passiert, was sind die Folgen dieses GAUs hier und anderswo? –, war die taz vorneweg in ihrer Berichterstattung. Wir Anti-AKWler, ich zum Beispiel war schon gegen Wyhl dabei, sahen unsere schlimmsten Befürchtungen mit dem Super-GAU bewahrheitet. Deshalb kannten sich viele mit der ganzen Atomkraft-Problematik schon vor der Katastrophe ganz gut aus.
Thea Rosie, 55, arbeitet in der Korrekturabteilung der taz und war 1986 die Frau, die unter anderem den täglichen „Strahlen-Kompass“ (siehe Foto) betreute.