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Archiv-Artikel

Die Sense wird geschärft

Niedersachsen will doch nicht alle Landeskrankenhäuser verkaufen. Doch ver.di droht mit unbefristetem Streik, um das Geschäft zu vermiesen

aus Hannover Kai Schöneberg

Im vergangenen Jahr demonstrierten sie mit Särgen, jetzt sollen sie doch verkauft werden: 5.800 Mitarbeiter in acht Landeskrankenhäusern in Niedersachsen sollen ab dem kommenden Jahr einen privaten Arbeitgeber erhalten. Lange hatte Mechthild Ross-Luttmann gezaudert, bevor die unsicher wirkende CDU-Sozialministerin gestern die vom Kabinett beschlossene Privatisierung der Landeskrankenhäuser (LKH) verkündete.

Vier Häuser mit 515 Mitarbeitern sollen entgegen alter Planungen doch nicht veräußert werden: Die Hochsicherheitstrakte des Maßregelvollzugs in Moringen, Brauel, Bad Rehburg und Göttingen, in denen psychisch kranke, drogen- und alkoholabhängige Straftäter einsitzen. Sie habe verdi-Landeschef Wolfgang Denia alles in „einem guten Gespräch“ erklärt, sagte Ross-Luttmann.

Der sah das anders. Die überraschend schnelle Entscheidung sei der Ministerin offenbar von Staatskanzlei und Finanzministerium diktiert worden, polterte Denia. Er könne das „nur so interpretieren“, dass wegen unerwarteter Steuerausfälle „das Tafelsilber auf dem Markt feilgeboten werden soll.“ Deshalb werde er sofort den Tarifvertrag kündigen und in Verhandlungen für die Beschäftigungssicherung gehen.

Sollte sich die Regierung „quer stellen“, drohte er mit „unbefristetem Streik.“ Das würde den Verkauf nicht erleichtern und den Preis sicher drücken. Krankenhaus-Konzerne setzten auf 20 Prozent Rendite, aber Verdi sei „nicht für Zugeständnisse beim Personalabbau“ zu haben, sagte Denia. Am Ende würden die Landeskrankenhäuser verhökert, an die Zusicherung Ross-Luttmanns, es werde keinen Verkauf „zu jedem Preis geben“, glaubt er nicht. Der Beweis: Anfragen aus der Region Hannover oder der Stadt Lüneburg hätten bis heute „nicht mal eine Antwort“ erhalten.

Ross-Luttmann will die Häuser in Göttingen, Hildesheim, Königslutter, Lüneburg, Osnabrück, Wunstorf, Wehnen bei Oldenburg und Tiefenbrunn bei Göttingen bis zum Ende des Jahres ausschreiben. Man werde dafür „mit Sicherheit keine 120 Millionen Euro erlösen“, sagte die Ministerin. Diese Summe ist dafür bislang im Haushalt eingestellt. Auch in den privatisierten Häusern will das Land im Maßregelvollzug weiter eigene Beschäftigte einsetzen. Bei der Schaffung von 200 Plätzen zur Unterbringung psychisch kranker Straftäter sollen 70 bis 90 Plätze finanziert werden.

„Wenn ich als Minister so überfahren worden wäre, hätte ich meinen Hut genommen“, ätzte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Die Grüne Ursula Helmhold legte nach: „Wieder einmal durfte die Sozialministerin nur Trippelschritte gehen.“