: Blumen und etwas, das bleibt
JONNY K., EIN JAHR DANACH
Das große Plastikzelt ist weg. Das Ding, das fast ein Jahr an der unscheinbaren Ladenzeile zwischen Alexanderplatz und Rotem Rathaus stand, um den Ort zu überdachen, an dem Jonny K. in der Nacht zum 14. Oktober gestorben war, wo sich Blumen stapelten, Kerzen brannten.
Seit Montag gibt es an dieser Stelle stattdessen etwas Dauerhaftes: Eine Gedenktafel aus Metall, 50 auf 50 Zentimeter, erinnert jetzt an den 20-Jährigen, der damals zu Tode geprügelt worden war, weil er einen Streit schlichten wollte. In der Mitte der Tafel eine große Hand, ein Relief seiner Hand, Jonnys.
Alle waren sie da, Jonnys Schwester Tina K., Innensenator Frank Henkel, der Regierende Bürgermeister, Kinder mit Gerbera in der Hand, die Bodyguards, die streng schauten, RTL, ZDF, RBB, N24, das Radio – alle eben. Viele in T-Shirts, auf die ein Foto von Jonnys Gesicht gedruckt war. Ein Pulk von Menschen, der sich vor dem Eiscafé Lampe rund um ein schmächtiges Bäumchen wand, an das ein roter Herzluftballon gebunden war, und um Tina K., die ins Mikrofon sprach. „Bis zur letzten Sekunde war mein Bruder der beste Mensch, der er sein konnte“, sagte sie. Und: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir machen, sondern auch für das, was wir nicht machen.“ Zivilcourage, darum geht es.
Das fand auch Klaus Wowereit. „Wir brauchen keine anderen und keine härteren Gesetze“, sagte er, eine weiße Rose in der linken, das Mikro in der rechten Hand, ehrliche Betroffenheit im Gesicht, „sondern eine andere Haltung.“ Dann umarmte er Jonnys Mutter, die Schwester, gemeinsam zogen sie das schwarze Tuch von der Gedenkplatte. Sekundenlang war nur das Klicken der Kameras zu hören – und die rumpelnden Bagger von der Baustelle nebenan.
Die Polizei war auch da; knapp zwei Handvoll Beamte passten auf und stoppten rechtzeitig die Radfahrer. Ab November werden jeden Tag acht Beamte über den Alex patrouillieren. Der Platz habe seit Jonnys Tod das Image eines Ortes, an dem „Gewalt und Verrohung“ herrschen, wie Henkel es formulierte. Der Polizeipräsident will dem nun offenbar entgegenwirken – auch, wenn die Anzahl der Überfälle in den vergangenen zwölf Monaten zurückgegangen war. ANNE HAEMING