KOMMENTAR: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER WEHRGERECHTIGKEIT: Ein unfaires Verfahren
Dass ein Angeklagter vor Gericht ostentativ unpolitisch auftritt, kann einem Prozess politische Bedeutung verleihen. Das zeigt der Fall des Zivildienstschwänzers Mark B. aus Bremen. Zugegeben, was Staatsanwalt und Amtsrichter dort in einer knapp einstündigen Hauptverhandlung an Fahrigkeiten produzierten, wirft zunächst nur ein schlechtes Licht auf den Zustand der Bremer Justiz.
Dort also kann passieren, dass ein Richter vergisst, den Angeklagten, der sich selbst verteidigt, zu belehren, dass der Staatsanwalt seine Akten verschusselt und beide vereint ein Strafmaß ausbaldowern, das auf Angaben über illegale Einnahmen basiert. Man staunt – und fragt sich, ob das noch eine Farce ist oder doch schon eine Hanstwurstiade in Doppelbesetzung.
Die Schlamperei kommt aber nicht von ungefähr. Sie drückt eine Haltung der Justiz-Personen gegenüber dem Zivildienstgesetz aus: Ernst genommen wird es als Norm nur, wenn ein Totalverweigerer Gewissensgründe für sein Vergehen nennt. Dann lagen zuletzt die Strafen zwischen 100 Sozialstunden und zwei Jahren auf Bewährung.
Das ist unfair und zeigt, dass Wehrpflicht und Zivildienst abgeschafft gehören. Denn ein Gesetz, das ein Gewissen zum Nachteil in der Rechtspraxis geraten lässt und den privilegiert, der sein Handeln allein an seinem Profit ausrichtet, ist Gift für den sozialen Zusammenhalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen