: AMERICAN PIELos Wochos in der NBA
Wenn Politiker ihre wahren Absichten zu verschleiern versuchen, führt das meist zu linguistischen Kollateralschäden. Zu Wortungetümen wie Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Dieses verbale Monstrum hat nun allerdings der US-amerikanische Bundesstaat Arizona in den Schatten gestellt und den „Support Our Law Enforcement and Safe Neighborhoods Act“ verabschiedet. Dieses „Unterstützt unsere Strafverfolgungsbehörden und sichere Nachbarschaften“-Gesetz ist ein solch selten perfider Euphemismus, dass er selbst hartgesottenen Basketballprofis aufstößt.
Das Gesetz, das im Juli in Kraft treten soll, ist in den USA schwer umstritten. Es verschlechtert die Lage der vielen illegalen Einwanderer in Arizona dramatisch. Die Polizei wird angewiesen, die Personalien von Verdächtigen zu überprüfen, und verdächtig macht man sich schon mit der falschen Hautfarbe. Zehntausende demonstrierten bereits gegen die neue Regelung, die Stadt Los Angeles hat einen Boykott von Arizona beschlossen – und das in Phoenix, der Hauptstadt von Arizona, beheimatete Basketballteam solidarisierte sich mit den Immigranten.
Als die mexikanischen Einwanderer Anfang Mai am „Cinco de Mayo“ ihre Herkunft feierten, gingen die Phoenix Suns als „Los Suns“ aufs Parkett. Dazu fanden Mannschaft und Funktionäre ungewöhnlich deutliche Worte für die Politik. Suns-Manager Steve Kerr fühlte sich „an Nazideutschland erinnert“, und Aufbauspieler Steve Nash fand das Gesetz „fehlgeleitet“. Die Mannschaft hatte sich einhellig dafür entschieden, in den alternativen Trikots aufzulaufen, und fand damit Unterstützung bei der Gewerkschaft der NBA-Profis, die in einem Statement ihre „Opposition gegen eine solche Gesetzgebung“ zum Ausdruck brachte. Alvin Gentry, afroamerikanischer Trainer der Suns, ließ es sich nicht nehmen, ausdrücklich die rassistische Komponente des neuen Gesetzes anzusprechen. „Es ist wichtig, aufzustehen für die Dinge, an die wir glauben“, sagte der Kanadier Nash, „diese Liga ist sehr multikulturell. Die Spieler kommen aus der ganzen Welt und unsere hispanischen Fans sind uns sehr wichtig.“
Dass ein nicht unwesentlicher Teil der Fanbasis aus Einwanderern aus dem Nachbarland im Süden besteht, das hat die NBA bereits seit längerem erkannt. Seit 2006 schon begeht die Liga eine „Noche Latina“, in der die Mannschaften, wenn sie wollen, mit pseudospanischen Namen ins Spiel gehen können. Vor allem Teams aus Gegenden mit einer großen hispanischen Gemeinde nutzen die Gelegenheit, sich bei der spanischsprechenden Bevölkerung beliebt zu machen: Miami spielt dann als „Le Heat“, der aktuelle Meister aus Los Angeles heißt ausnahmsweise „Los Lakers“, und auch Dirk Nowitzki und seine Kollegen in Dallas tragen regelmäßig das „Los Mavs“-Trikot.
Doch sich wie die Suns auch außerhalb dieser verordneten Imagekampagne und inmitten einer laufenden politischen Diskussion noch einmal zugunsten der Immigranten zu exponieren, das war dann doch einigermaßen gewagt. Die Aktion fand zwar Unterstützung auf höchster Ebene, als Präsident Barack Obama, der das neue Gesetz verurteilt hatte, den Klub und die Spieler für ihren Mut lobte. Aber einige Fans protestierten auch gegen die Politisierung des Spielbetriebs, bei der Lokalzeitung The Arizona Republik gingen mehrheitlich negative Leserbriefe ein, und der ultrakonservative Fernsehkommentar Rush Limbeau bescheinigte den Suns „Feigheit“.
Sportlich allerdings brachte der Trikotwechsel bislang nur Erfolg. Ihre letzten drei Begegnungen als „Los Suns“ gewannen die Suns allesamt, zuletzt beim Playoff-Erfolg gegen die favorisierten San Antonio Spurs. Überhaupt sind die Suns – neben dem Wiedererstarken der Altherren-Combo von den Boston Celtics – die größte Überraschung der laufenden Saison. Dabei scheint die Mannschaft um Steve Nash für die Playoffs, in denen man nach althergebrachter Lehrmeinung vor allem mit guter Abwehrarbeit zum Erfolg kommt, viel zu offensiv ausgerichtet. Trotzdem hat es Phoenix nach Siegen gegen Portland und San Antonio, die zuvor Dirk Nowitzkis Mavericks ausgeschaltete hatten, unerwartet ins Halbfinale gegen Titelverteidiger Los Angeles Lakers geschafft.
Zum Semifinalauftakt gab es allerdings eine ernüchternde 107:128-Niederlage in Los Angeles. Was in erster Linie mit Lakers-Star Kobe Bryant zu tun hatte, der mit 40 Punkten überragte. Aber womöglich hat es ja auch daran gelegen, dass Phoenix nicht als „Los Suns“ aufs Parkett ging. Ein nächster Trikottausch könnte also womöglich rein sportliche Gründe haben.
THOMAS WINKLER