Kein Besuch im Elend

Bundesinnenminister Schäuble will Billbrook nicht inspizieren. Den Slum-Vergleich habe er nicht so gemeint

Wolfgang Schäuble hat die Gelegenheit, den Stadtteil Billbrook unter die Lupe zu nehmen nicht genutzt. Eine Einladung des SPD-Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, Michael Neumann, schlug der CDU-Bundesinnenminister aus, obwohl er am Freitag in Hamburg war. Er habe nur „einen wichtigen Anstoß geben“ wollen, ließ er Neumann jetzt brieflich mitteilen. Dieser hatte als „zuständiger Wahlkreisabgeordneter der SPD“ Schäuble zu einem Besuch eingeladen, „damit Sie sich einen authentischen Eindruck vor Ort verschaffen können“.

Nach den Vorfällen an der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln hatte Schäuble diesen Stadtteil und eben auch Hamburg-Billbrook zu „Slums“ erklärt. Damit provozierte er heftige Ablehnung auch in der eigenen Partei. „Schäuble hat sich geirrt“, sagte Hamburgs CDU-Fraktionschef Bernd Reinert: „Diese Kennzeichnung scheint mir unzutreffend.“

Neumann erhielt nun einen Antwortbrief von Markus Kerber, Leiter der Grundsatzabteilung im Innenministerium, in dem seine Einladung ausgeschlagen wird. Offenbar habe Neumann beim Wort Slum „an Elendsviertel in Entwicklungsländern gedacht“, vermutet Kerber, „Dieser Begriff des Elendsviertels war aber nicht gemeint.“ Allenfalls betrachte der Minister den Begriff „Problemgebiet“ als „soziologischen Euphemismus“, der „die bedrohliche Schieflage“ in einigen Großstadt-Quartieren „eher verharmlost“. Er habe „Sachverhalte pointiert darstellen“ wollen, weil den Betroffenen „mit Beschwichtigung wenig geholfen“ sei, schreibt Kerber.

Letzteres stimme, findet Neumann, „aber Schwarz-Weiß-Malereien eines Ministers helfen auch nicht weiter“. smv