: US-Minister räumt Mitschuld ein
ÖLPEST Innenminister Ken Salazar kleinlaut: Seine Behörde habe versäumt, Bohrungen richtig zu überwachen und die Ölförderindustrie rechenschaftspflichtig zu machen
AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Die Ölpest vor der Südküste der USA breitet sich durch starke Strömungen im Golf von Mexiko ungehindert aus. Satellitenbilder zeigten, dass das Öl Richtung Florida getrieben werde, teilte die europäische Raumfahrtbehörde ESA am Mittwoch in Paris mit. Es sei „wahrscheinlich“, dass das Öl den US-Bundesstaat Florida „innerhalb von sechs Tagen“ erreiche. Seit der Explosion einer BP-Ölbohrplattform im April strömen täglich tausende Liter Erdöl in den Golf von Mexiko, da der Konzern das Bohrloch in 1.500 Meter Meerestiefe nicht schließen kann.
US-Innenminister Ken Salazar hat derweil eine Mitschuld der Regierung an der Ölpest eingeräumt. Sein Ministerium habe es versäumt, Tiefseebohrungen richtig zu überwachen und die Ölindustrie rechenschaftspflichtig zu machen. Die ihm unterstellte Behörde für Mineralienförderung, die für Ölbohrungen verantwortlich ist, solle nun besser ausgestattet und unabhängiger werden. In der Behörde gebe es „viele ehrliche Angestellten und einige verdorbene Äpfel“.
Sichtbarer werden auch die Folgen der Katastrophe für die Tierwelt. Seit Ende April haben TierschützerInnen 156 tote Meeresschildkröten gefunden. Hinzu kommen zwölf tote Delfine. Äußerlich sind den Tieren keine Ölspuren anzusehen. Ihre Obduktion soll klären, ob sie wegen des Öls starben. Als Todesursache käme auch das Bindemittel infrage, das BP und die US-Küstenwache zu hunderttausenden Tonnen aus der Luft in den Golf spritzen. Das Mittel bindet das Öl und senkt es in tiefere Wasserschichten ab. Seine Umweltauswirkungen sind unbekannt.
BP-Verantwortliche beschwichtigen dennoch. Der Konzern hat am Dienstag neue Schecks für die betroffenen Bundesstaaten ausgestellt: 25 Millionen Dollar für Florida und je 15 Millionen für die benachbarten Bundesstaaten.
Am sprudelnden Bohrloch am Meeresboden in 1.500 Meter Tiefe geht das Experimentieren weiter. Nachdem dort – an einem von zwei Lecks – in den vergangenen Tagen je 1.000 Barrel Öl (rund 159.000 Liter) abgepumpt worden sind, vermeldet BP jetzt, dass täglich 2.000 Barrel Öl abgepumpt werden. Der weitaus größere Teil des Öls strömt aber weiterhin ins Meer. BP hat stets gesagt, man wisse nicht, wie viel Öl aus dem Leck austrete. Regierungsstellen sprachen von 5.000 Barrel täglich. Unabhängige WissenschaftlerInnen an mehreren Universitäten, die Videoaufnahmen von dem Leck am Meeresboden gesichtet haben, gehen von einer vielfachen Menge aus.
Am Wochenende steht ein neues Experiment an: BP will Lehm mit starkem Druck in das Ölloch spritzen. Ob damit das Loch verstopft wird, ist offen. Falls es nicht klappt, will BP es mit dem Einspritzen von Tennisbällen und Reifenresten versuchen. Warum die Rettungsarbeiten auch vier Wochen nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon immer noch experimentellen Charakter haben, begründet BP-Sprecher Mark Proegler so: „Es dauert eine Weile, um die nötigen Informationen zusammenzukriegen, die wir brauchen.“ Jetzt bekannt gewordene Ausnahmegenehmigungen, die die für Ölbohrungen zuständige Aufsichtsbehörde in den vergangenen Jahren an Ölkonzerne im Golf vergeben hat – darunter auch an BP –, zeigen, dass sie von der Pflicht befreit waren, einen Nachweis für Vorbereitungen für den Fall einer Explosion zu treffen.