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Archiv-Artikel

RASSISMUS: NICHT HEYE, SCHÖNBOHM IST DAS PROBLEM No-go-Areas im Verfassungsschutzbericht

Es gibt in Deutschland Gegenden, in denen Schwarze um Fußballplätze und Bahnhöfe besser einen Bogen machen. Solche „No-go-Areas“ liegen keineswegs nur, aber vor allem im Osten. Das ist der Skandal – und nicht, dass Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye dies kritisiert hat.

Nein, skandalös ist vielmehr die Reaktion des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm, der Heyes Äußerung für eine „unglaubliche Entgleisung“ hält. Der CDU-Hardliner behauptet steif und fest, dass in Brandenburg solche Gebiete nicht existieren. Auch der bedächtige Matthias Platzeck sorgt sich vor allem um das Ansehen von Brandenburg. Haben wir es also mit einer Art linken Schmutzkampagne zu tun, die das (ost)deutsche Image in den Dreck ziehen will?

Vielleicht sollten Ministerpräsident Platzeck und Schönbohm mal einen Blick in den Bericht des Brandenburger Verfassungsschutzes von 2005 werfen. Dort sind siebzehn Orte aufgezählt, an denen rechtsextreme Subkulturen aktiv sind, die spontan auf Ausländer, Schwarze und Linke losgehen. Die Aufzählung der Orte, vermerkt der Verfassungsschutz lakonisch, ist nicht vollständig. Vorgestellt hat den Bericht Jörg Schönbohm.

Zu erklären ist die wundersame Amnesie, die nicht nur die Brandenburger Regierung heimgesucht hat, wohl durch die WM. Deutschland will sich mit Macht freundlich und weltoffen präsentieren. Deshalb gilt wieder: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wir waren, was rechte Gewalt angeht, in dieser Republik schon mal weiter.

Allerdings sollte man sich von den Verdrängungskünsten von Schönbohm & Co. nicht dumm machen lassen. Mit moralischem Empörungstremolo ist gegen rechte Gewalt nicht viel auszurichten. Ein über sich selbst aufgeklärter Antirassismus vermeidet Pauschalisierungen – etwa, dass „der Osten“ rassistisch sei. Entscheidend ist die konkrete, ausdauernde Arbeit gegen Rassismus vor Ort. Davon gibt es im Osten, zum Glück, mehr als früher. Diese zivilgesellschaftliche Engagement anzuerkennen heißt aber nicht, deswegen das Offenkundige zu leugnen: nämlich dass es Gegenden gibt, in denen sich Nichtdeutsche nicht gefahrlos bewegen können. STEFAN REINECKE