HAMSTER ZWISCHEN FRUST UND FUROR

VON HARTMUT EL KURDI

Es gibt ein paar große Missverständnisse in der Haustierwelt. Etwa dass es dem Wesen des Yorkshire Terriers entspricht, ihm rosa Schleifen ins Haar zu binden und ihn mit Pralinen zu füttern. Zum letzten Mal: Yorkshire Terrier sind nicht niedlich! Und vor allem sind sie keine Kuscheltiere für die menopausierende Society-Dame oder den Modezaren mit schockschwarzem Haubenfifi auf dem Kopf!

Yorkshire Terrier sind Unterschichten-Kampfhunde. Sie wurden gezüchtet, um in englischen Arbeiterquartieren gegen Ratten und Mäuse eingesetzt zu werden. Und genauso hört sich ihr Gekläffe auch an: aggressiv, keifend, wütend bis zur Hysterie. Müsste man in einem Tiermusical einen Yorkshire Terrier besetzen, sollte man auf alle Fälle Martin Semmelrogge oder Cindy von Mahrzahn zum Casting einladen. Wobei Cindy von Mahrzahn auch großartig für die Rolle des Goldhamsters wäre – womit wir bei einem anderen Mitgeschöpf wären, dem mindestens so viel Unrecht getan wurde wie dem Rattenkiller aus England.

Der Goldhamster: Wer auch immer auf die Idee kam, diese schlechtgelaunte dickliche Mops-Diva als ideales Haustier für Kinder zu empfehlen, sollte sofort im nächstgelegenen schlecht geführten Tierheim abgegeben werden. Und ich weiß, wovon ich rede. Als Kind war ich Besitzer von mindestens 20 stinkmuffligen Goldhamstern. Genau weiß ich es nicht mehr, weil ich irgendwann den Überblick verloren habe: Ständig hatten die Viecher miteinander Sex, Babys wurden geboren, andere verschwanden hinterm Kleiderschrank, wurden verschenkt oder gegen Schildkröten eingetauscht, die etwas schwächlichen von ihrer Mutti aufgefressen, kurzum: Ein Nagetier-Sodom-und-Gomorrha …

Angefangen hatte es alles mit Hopsi, meinem ersten Hamster, den ich zur Einschulung bekam und der mich die ersten drei Wochen jeden Tag herzhaft in den Finger biss. Die Narben habe ich immer noch. Ich gab jedoch nicht auf und hielt meine Hand immer wieder hin, bis er irgendwann fatalistisch wurde und ich ihn mir schnappte und endlich streicheln konnte. Ich möchte mich hiermit noch einmal offiziell und stellvertretend für alle Kinder dieser Welt bei allen Hamstern des Erdballs entschuldigen: Ich wusste es nicht besser! Kein Kind weiß es besser. Die Verkäufer sind schuld, weil sie den Kunden folgende entscheidende Info vorenthalten. Erstens: Goldhamster sind nachtaktiv, und das im wahren Sinne des Wortes: Nacht im Sinne von dunkel! Und zweitens: Goldhamster stammen aus Syrien, sind also Araber. Was es bedeutet, einen um die Hüften leicht dicklichen Araber zu einer bei ihm genetisch nicht programmierten Tageszeit zu wecken, kann gern in meinem familiären Umfeld erfragt werden. Und dabei habe ich nur den halben orientalischen DNA-Satz …

Da fällt mir übrigens für das Tiermusical noch eine schöne Besetzung für die Hamsterrolle ein: der fränkische Komiker Matthias Egersdörfer. Und wenn der nicht kann, dann muss eben Henryk M. Broder einspringen. In diesem Sinne: „Shukran“. Danke für die Aufmerksamkeit.