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Archiv-Artikel

Debatte über Flüchtlinge in Haft

ASYL II Innensenator Henkel will das Thema Abschiebehaft bei der nächsten Innenministerkonferenz auf die Tagesordnung setzen – um eine „breitere Kooperation“ mehrerer Bundesländer zu prüfen. Brandenburg jedoch hat diesen Vorschlag schon abgelehnt

Werden Berliner Abschiebehäftlinge künftig im brandenburgischen Eisenhüttenstadt untergebracht – oder findet Berlin im Stadtgebiet ein Gebäude, das den maroden und viel zu groß geratenen Abschiebeknast in Grünau ersetzt? Diese Debatte schwelt seit vier Jahren. Nun zeichnet sich plötzlich ein völlig neuer Ansatz ab.

Überdimensionierte Abschiebeknäste

Innensenator Frank Henkel (CDU) hat das Thema Abschiebehaft als Besprechungspunkt für die Innenministerkonferenz im Dezember in Osnabrück angemeldet. Das bestätigte sein Sprecher Stefan Sukale der taz. Es geht um das Prüfen „der Möglichkeit einer breiteren Kooperation“ mehrerer Bundesländer in der Abschiebehaft. Denn während Berlin und Brandenburg überdimensionierte Abschiebeknäste haben, haben zwei Drittel der Bundesländer gar keine und inhaftieren Abschiebegefangene in Justizvollzugsanstalten, in denen auch Strafgefangene untergebracht sind.

Das ist laut neuem EU-Recht aber nicht mehr zulässig. Die Folge: In Bayern und Sachsen haben sich bereits eine große Zahl von Abschiebegefangenen in die Freiheit geklagt. Weil die zuständigen Landgerichte eine gemeinsame Inhaftierung von Flüchtlingen mit Verbrechern für nicht rechtens hielten, kamen die Flüchtlinge frei. Bayern will jetzt als Reaktion darauf ein kleines Gefängnis im Freistaat in einen Abschiebegewahrsam verwandeln.

Die Bundespolizei Sachsen lässt Abschiebegefangene seit Oktober – also seit den Klagen – vermehrt in Berlin und Brandenburg unterbringen. So haben es jedenfalls die Seelsorger in den Haftanstalten beobachtet. Dem katholischen Jesuiten-Flüchtlingsdienst zufolge saßen in Grünau zeitweise mehr Menschen ein, für die Sachsen zuständig ist, als solche aus Berlin.

Die räumliche Ferne habe zum Teil jedoch harte Folgen für die Inhaftierten. Der Jesuitenpater Ludger Hillebrand kennt beispielsweise eine syrische Familie, von der zwei Angehörige in Zittau im Flüchtlingsheim wohnten, zwei andere in Berlin in Haft waren. Persönliche Kontakte waren nicht möglich und telefonische erst, als die Kirche ein Telefon bereitstellte.

Drei Männer in Haft

Aktuell sitzen in Berlin drei Männer in Abschiebehaft, darunter einer, der von der Bundespolizei Sachsen dorthin gebracht wurde. Der Bau verfügt über 210 Haftplätze und kostet pro Jahr 11 Millionen Euro.

Gegenüber der taz erklärte Henkels Sprecher Stefan Sukale, Berlin prüfe für den künftigen Abschiebegewahrsam drei Varianten: neben der breiten Kooperation mit mehreren Bundesländern, die Henkel auf der Innenministerkonferenz anregen will, seien das zweitens „eine eigenständige Lösung“ und drittens „eine Kooperation mit Brandenburg und dem Bund“.

Im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hingegen hat Henkel letzte Woche die „interne Lösung“ bereits verworfen. Alle Prüfungen hätten sich als unrealistisch erwiesen, erklärte er dort. „Die Option eines Neubaus wurde im Rahmen einer Voruntersuchung geprüft und wäre nur in Kooperation mit anderen Bundesländern oder dem Bund eine wirtschaftliche Lösung.“

Aus Brandenburg jedoch gab es dafür schon eine Absage: Dort nämlich hält man am Standort Eisenhüttenstadt fest. Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt drückt es gegenüber der taz so aus: „Wir verhandeln mit Berlin. Wir haben ein funktionsfähiges Gebäude in Eisenhüttenstadt, in dem es viel Platz gibt – auch für Berliner Abschiebegefangene.“ Diese Variante nannte Henkel im Hauptausschuss als „wirtschaftliche Lösung“ für Berlin.

Grüne, Linke und Piraten, aber auch Flüchtlingsinitiativen weisen jedoch darauf hin, dass für Anwälte und Angehörige der Inhaftierten die Entfernung von Berlin nach Eisenhüttenstadt unzumutbar weit wäre. Auch ehrenamtlich tätige Menschen mit arabischen und vietnamesischen Sprachkenntnissen, die Abschiebegefangene in der Haft begleiten, gebe es zwar in Berlin, nicht aber in der Stadt im äußersten Südosten Brandenburgs.

Bernhard Fricke, der als evangelischer Seelsorger sowohl in Grünau als in Eisenhüttenstadt arbeitet, fordert, einen gemeinsamen und geeigneten Standort in Berlin-Nähe zu suchen. Das solle jedoch nur eine Übergangslösung sein, denn Abschiebehaft muss aus seiner Sicht ein Auslaufmodell sein: „Flüchtlinge gehören nicht in Haft.“

MARINA MAI