Lass sie strampeln!

Das schrille Labertäschchen vom Dienst hat bald frei: Die MTV-Show von Sarah Kuttner wird zum Sommer eingestellt. Das ist nur begrenzt schade – aber eine Lücke bleibt doch

VON DOMINIK SCHOTTNER

Wer die MTV-Moderatorin Sarah Kuttner schlechtreden möchte und beabsichtigt, dies zu veröffentlichen, sollte sich fragen, ob er oder sie mit erzürnten Anrufen seitens ihres Managements fertig werden kann. Und wenn die Antwort „Ja“ ist, dann kann man über die ehemalige Viva-Moderatorin lästern, bis das Telefon klingelt und auch noch danach.

Gleichsam ungehemmt kann man Frollein Kuttner, wie sich die drollige 26-Jährige gerne betitelt, natürlich auch gut finden – ja sie sogar verehren, vergöttern, sie zum Mittelpunkt eines pubertären und von Britpop-Indierock dominierten Lebens erklären. Wer so drauf ist, hat von ihrem Management freilich nichts zu befürchten.

Das sind Optionen. Und die muss man nicht wahrnehmen. Im Gegenteil: Man darf sie getrost verstreichen lassen. Vielleicht entgeht einem etwas, vielleicht auch nicht. Mit ebendieser Gleichgültigkeit hätte man Sarah Kuttner seit Beginn ihrer Fernsehkarriere im Jahre 2001 behandeln sollen: Sarah Kuttner? Wer ist das? Ach so, die. Lass sie strampeln!

Deshalb an dieser Stelle nur eine kurze, prägnante und emotionslose Meldung: Es wird bei MTV keine zweite Staffel ihrer Musikvorstell-Promiplausch-„Harald-Schmidt-in-klein-möcht-ich-sein“-Show „Kuttner“ geben.

Frollein Kuttner veröffentlichte die Neuigkeit höchstselbst am vergangenen Mittwoch auf ihrer Internetseite, und wer möchte, kann aus ihren Worten das für die betont selbstironische, selbstsichere Kuttner maximal mögliche Bedauern feststellen: „Diese entscheidung hat MTV gefällt und MTV wird sicher seine Gründe für diese Entscheidung haben.“

Wir Unbeteiligten können über die Gründe des Senders nur mutmaßen. Aber wer nicht einmal in der Lage ist, Entscheidung so zu schreiben, wie es sich gehört, nämlich mit einem großen E, dEr hat kEinE EigEnE Show mEhr vErdiEnt. Ist das vielleicht nicht doch der wahre Grund, Emmtiehwieh, und nicht die schlechten Quoten? Interessant ist auch, dass Kuttner wohl, wie die taz aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, impulsiv selbst handelte und die Meldung auf ihrer Website nicht vorher bei MTV angemeldet (sic!) hatte. Böse Sarah!

Und so wird die Tochter des Radiomoderators und Videoschnipsel-Künstlers Jürgen Kuttner im Sommer mit ihrem etwas trägen Buch „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“ auf Lesereise gehen, auch „endlich und ausführlich im Süden Deutschlands“, wie sie auf ihrer Website verkündet. Das wird das dort residierende Jugendmagazin freuen, für das Kuttner ihr Zweidrittelwissen bislang in Kolumnenform unters Volk brachte. Wir empfehlen ihr bei der Gelegenheit, auch einen Abstecher ins beschauliche Chiemgau oder den Schwarzwald zu machen, schließlich „braucht die Tante auch mal einen vernünftigen Urlaub“.

Wir dagegen brauchen keinen Urlaub, jedenfalls nicht von Frau Kuttner. Sie hat ja niemanden groß gestört. Gut, sie war nicht die geborene Interviewerin, weil zum Interview eben auch Zuhören gehört. Der Labertasche Kuttner ist das scheinbar fremd. Sie ist auch nicht das, was man eine Musikjournalistin nennt, keine Charlotte Roche, die noch dazu einen gut verträglichen Interviewstil pflegt. All das war und ist Frau Kuttner nicht. Und das weiß sie auch.

Aber, und dafür kann man ihr schon mal danken, war es nicht auch so, dass dank ihr vorher unbekannte – und vor allem: gute Bands – den Weg ins deutsche Fernsehen gefunden haben? Wer würde Moneybrother kennen, wer Adam Green, wer die We Are Scientists? Außer ein paar Musik-Redakteuren und Pop-Nerds? Niemand.

Wir brauchen also einen Ersatz für diesen nützlichen Teil der Kuttner. Wir brauchen Ersatz für die engagierte Klassensprecherin Kuttner, die das Bandfestival „Kuttner on Ice“ ohne die Hilfe ihres Senders organisiert hat und das trotzdem ratzfatz ausverkauft war.

Sieht man einmal von Kuttners Funktion als Multiplikatorin des gar nicht so schlechten Geschmacks ab, ist es aber nicht weiter schade, dass sie nun gehen muss. Irgendwann ist eben Schluss mit niedlich und frech. Wenn sie sich ein wenig anstrengt, wird sie vielleicht sogar ihren Vorgängerinnen Jessica Schwarz und Heike Makatsch in den Schauspielbetrieb folgen. Oder aber der WDR klopft wieder an ihre Tür. Für den soll sie schon einmal Probesendungen aufgenommen haben. Jetzt steht aber erst einmal Urlaub an. Für sie. Denn wir brauchen ja keinen. Wir haben sie ja noch nie beachtet.