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Archiv-Artikel

NEUES DENKEN Anonym bewerben

Von MKS

Sie haben eines der folgenden Mankos: älter als 50 Jahre, fremdländisch klingender Name, Behinderung, Frau (vor allem mit Kindern)? Pech für Sie beim Bewerbungsgespräch. Sie haben weit geringere Chancen zu einer Vorstellung eingeladen zu werden, wenn der Arbeitgeber in spe eines der erwähnten Mankos aus Ihrer Bewerbung schließt. Statistisch gesehen findet diese Art von Diskriminierung weit weniger statt, wenn die Bewerber erst einmal zum Gespräch eingeladen sind, so die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Der Ausweg: ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren, bei dem erst nach der Auswahl zur Einladung die genaue Person bekannt wird.

Es gab dazu einen Modellversuch im Jahr 2010, unter anderem bei der Post und der Telekom, gefolgt ist daraus jedoch nur bei einigen wenigen Firmen und Behörden etwas. Dabei ist in den USA, Skandinavien oder Belgien diese Anonymisierung Standard, vor allem im öffentlichen Sektor.

Ein neues Buch will die Debatte nun wieder anstoßen. In „Chancen für alle“ porträtieren und befragen drei Autoren fünf Menschen mit den oben genannten Diskriminierungs-Problemzonen. Herausgegeben wurde es von Rocco Thiede.

Ein Beispiel ist die gebürtige Hannoveranerin Natalie Nasieku Mankuleyio Suakei, Mutter aus der Lüneburger Heide, Vater aus Kenia. Sie studierte Betriebswirtschaft mit der Spezialisierung Personalwesen. Sie kam über ein anonymes Bewerbungsverfahren, zuerst mit einem Online-Fragebogen, als Personalmanagerin zur Internetfirma Mydays in München.

Oder Steffen Müller, 48, früher Abteilungsleiter in einer Fleischwarenfabrik. Nach einem Unfall mit Natronlauge sieht er nur noch auf einem Auge, mit 30 Prozent der früheren Sehkraft. Also schwerbehindert. Nach jahrelanger Arbeitssuche steht er nun seit 2011 beim Grünflächenamt der Stadt Celle in der Verwaltung unter Vertrag, fast 200 Kilometer von seiner Familie entfernt. Sein Bildschirm ist mit einer speziellen Vergrößerungssoftware ausgestattet. Die Stadt Celle beteiligte sich 2010 an dem bundesweiten Modellversuch. Nur deswegen hat er den Arbeitsvertrag bekommen, so die Einschätzung Müllers. In der freien Wirtschaft hatte er nicht eine Einladung zu einem Gespräch. MKS

Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit hat belegt, dass allein ein türkisch klingender Nachname die Chance auf ein Vorstellungsgespräch bei kleineren Unternehmen um ein Viertel senkt. Beratungsstellen finden sich auch unter www.antidiskriminierungsstelle.de.