: berliner szenen Oje, oje
Seit eh und je
Im Fußballstadion rumzugrölen und die eigene Mannschaft anzufeuern ist keine Kunst. Immerhin kann man sich wissenschaftlich damit auseinander setzen. Der Sonderforschungsbereich „Kulturen des Performativen“ an der Berliner FU ließ dazu in der Kulturbrauerei, also weit entfernt von jeder Arena, Fans mit ihren Kampfliedern im Wettstreit gegeneinander antreten. Spieler waren natürlich keine anwesend. Nicht ganz leicht und tendenziell peinlich, auf die Bühne zu kommen und in den Saal hineinzubrüllen: „Wir sind die Blauen, wir sind die Weißen. Wir sind die, die auf alle scheißen.“ Aber wenn’s der Wissenschaft dient, singt der Hertha-Fan auch gern etwas wie: „Oje oje, wir sind blauweiß seit eh und je.“ Die vier Juroren, darunter Tip-Musikredakteur Hagen Liebing und ein stadtbekannter Hanf-Bierbrauer („turn“) notierten sich bei jedem Lied Punkte für die Wertung in den Kategorien Eigenkomposition, Schmähgesang und Coverversion. Die grellgelb gekleideten Togolesen wollten laut Moderator Trevor Wilson (in kurzer schwarzer Hose) zunächst niemand schmähen. Die Horde rot-weißer Fans aus Köpenick mit den Schals der „Alt-Unioner“ (alt, weil sie schon teilweise über 30 Jahre in die Alte Försterei gehen) schienen dagegen sogar ironiefähig: „Wir waren im Osten, wir warn im Westen, wir warn überall die Besten.“ Letztlich erfolgreicher und nach umständlicher Punktevergabe Sieger des Abends war TeBe. Die armen Borussia-Fans mit den alten Trikots der betrügerischen Finanzanleger „Göttinger Gruppe“ schafften es immerhin, die anderen Fans im Saal zu provozieren. „Vom TeBe-Fanclub kommen wir, unsre Heimat ist das Polizeirevier.“ Kein Wunder, denn: „Mit dem Gummiboot fahren wir Unioner tot.“
ANDREAS BECKER