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Archiv-Artikel

Braune Kongresse unerwünscht

Für die extreme Rechte war Bayreuth lange ein beliebter Tagungsort. Das will die Stadt jetzt ändern. Auch andere nordbayerische Städte sind im Visier der Rechten

BERLIN taz ■ Jahrelang tagten rechte Meinungsmacher ungestört in Bayreuth, damit soll künftig Schluss sein. Seit dem Wochenende regt sich der Widerstand in der Wagnerstadt. Rund 400 Menschen protestierten am Samstag gegen die Rechten. Für die konservative Kleinstadt ist das schon fast eine Großdemo, die vor das Arvena Kongress Hotel zog. Dort hielt der Verlag des NPD-Blatts Deutsche Stimme am Wochenende seinen „4. Freiheitlichen Kongress“ ab.

Um zu verhindern, dass die Festspielstadt mit der braunen Vergangenheit zum Nazizentrum wird, hat sich nun Bürgermeister Michael Hohl (CSU) eingeschaltet. Mit der Hotelleitung hat er vereinbart, dass Rechtsextreme dort künftig nicht mehr zu Kongressen laden sollen, berichtet die Lokalzeitung Nordbayerischer Kurier (NK). Auch andere Hotels sollten das berücksichtigen, so Hohl. Das gleiche Hotel hatte der Verlag der Deutschen Stimme schon 2005 gebucht. Die „Gesellschaft für freie Publizistik“ war bereits fünfmal dort zu Gast. Die von ehemaligen SS- und NSDAP-Leuten gegründete Organisation will rechte Autoren fördern, die angeblich „mundtot gemacht“ wurden. Zuletzt war die Gesellschaft im April der „Stadt der Idee der nationalen Festspiele“ zu Gast.

Dass der Widerstand in Bayreuth so spät kommt, erklärt man sich dort unter anderem mit der Geheimhaltungstaktik der Nazis. Im Voraus veröffentlichen die Organisatoren weder das Programm noch den genauen Tagungsort. Von den ersten Kongressen wusste kaum jemand. Dieses Mal habe man jedoch frühzeitig davon erfahren und zu Protesten mobilisieren können, sagt Demo-Mitorganisator André Pöhler von den Bayreuther Jusos.

Bevor der öffentliche Druck auf Hotel und Stadt wuchs, war das Interesse der Bayreuther an dem Thema eher gering. „Auf unsere Berichterstattung im April gab es keine Reaktionen“, erklärt Kurier-Redakteur Andreas Rietschel. „Erst als klar wurde, dass es jetzt schon wieder einen Kongress gibt, reagierten die Leute.“

Auch die Einsicht des langjährigen Gastgebers kam spät. Vor der Intervention des Bürgermeisters hatte die Hotelleitung erklärt, die Rechten seien „Gäste wie andere auch“, solange sie sich an die Hausregeln hielten. Kündigen werde man ihnen nur, wenn sie beispielsweise Mobiliar zerstörten. Ihre Hotelzimmer haben die Kongressteilnehmer im Vorjahr nicht zertrümmert. Stattdessen lauschten sie unter dem Motto „Deutschland wird leben – Nationaler Aufbruch im 21. Jahrhundert“ Vorträgen mit Titeln wie „Der Bombenholocaust von Dresden“ und Referenten wie dem wegen Volksverhetzung vorbestraften Sänger Frank Rennicke. Der taz wollte die Hotelleitung zu ihren rechten Gästen „keinen Kommentar“ geben.

Auch andere Kleinstädte Nordbayerns sind derzeit verstärkt Ziel von NPD und anderen Rechtsextremen. In Cham will die Partei ein Veranstaltungs- und Schulungszentrum einrichten und steht im Rechtsstreit mit der Stadt. Im nahen Grafenwöhr konnte die Stadt nur dank eines Vorkaufsrechts der NPD eine Tennishalle wegschnappen, in der die Partei ein Schulungszentrum einrichten wollte. In Wunsiedel, wo Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess begraben ist, finden jährlich braune „Gedenkmärsche“ statt. Die Stadt muss sich außerdem mit Expansionsplänen der ansässigen Neonazis herumschlagen, die eine Immobilie für größere Veranstaltungen kaufen wollen. KERSTIN SPECKNER