: Baby bringt Rendite
VON HEIDE OESTREICH
Auch die Familienministerin kommt dieser Tage nicht ohne Fußballbild aus: „1:0 für die Familien“ vermeldete Ursula von der Leyen gestern, denn das Kabinett hat ihren Gesetzentwurf zum Elterngeld verabschiedet. Ab dem 1. Januar 2007 erstattet der Staat damit Eltern, die nach der Geburt ihres Kindes zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten, ein Jahr lang 67 Prozent des entfallenden Einkommens. Kann sich der Partner dann auch noch zu zwei weiteren Monaten Wickeldienst entschließen, bekommt er auch zwei weitere Monate den Lohnersatz.
Die Regierung will mit diesem „Väterbonus“ Männer ermutigen, sich an der Erziehung der Kinder zu beteiligen. Von der Leyen betonte, die Zustimmung zu den Vatermonaten habe sich im Vergleich zu der „schmerzhaften und teils hämischen Debatte“ zu Beginn des Jahres stark verbreitert. Das Familienministerium rechnet damit, dass etwa 27 Prozent der Väter die Vatermonate in Anspruch nehmen werden.
Mit dem Elterngeld, das das bisherige Erziehungsgeld ersetzt, soll den Familien im ersten Jahr ein „Schonraum“ ermöglicht werden, so von der Leyen. Sie könnten sich künftig ohne finanziellen Druck um ihr Baby kümmern.
Das Elterngeld kann höchstens 1.800 Euro betragen. Für Nichtberufstätige ist ein Sockelbetrag von 300 Euro vorgesehen. Geringverdiener, die unter 1.000 Euro netto haben, bekommen für je 20 Euro, die bis zu 1.000 Euro fehlen, einen Prozentpunkt mehr Elterngeld. Wer etwa 400 Euro verdiente, bekommt 97 statt 67 Prozent erstattet, das wären 388 Euro.
Mit dieser Regelung will die Regierung KritikerInnen den Wind aus den Segeln nehmen. Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände hatten wiederholt darauf hingewiesen, dass für Arbeitslose und Geringverdiener das Elterngeld keineswegs ein 1:0 bedeutet, sondern eine Niederlage: Bisher erhielten diese zwei Jahre lang Erziehungsgeld in Höhe von 300 Euro monatlich, nun erhalten sie den Sockelsatz des Elterngeldes nur noch ein Jahr lang.
Trotz der Geringverdiener-Regelung, das hat das Ministerium selbst eingeräumt, kürzt von der Leyen 249.000 Familien ihre bisherigen Bezüge. Das ist immerhin ein Drittel aller Eltern eines Jahrgangs. Von einer „gigantischen Umverteilung von unten nach oben“ sprechen deshalb etwa die Grünen. Während Arbeitslose bis zu 3.600 Euro verlieren, bekommen Gutverdiener nun 25.200 Euro mehr vom Staat.
Dass sich daran im parlamentarischen Verfahren, das nächsten Donnerstag beginnt, noch etwas ändern könnte, ist unwahrscheinlich. Auch die SPD-Fraktion trägt den Beschluss in dieser Form mit. Die frauenpolitische Sprecherin Christel Humme findet sogar, das Elterngeld sei „unheimlich gerecht geworden“. Denn: „Man kann nicht diejenigen belohnen, die nicht arbeiten, und diejenigen, die arbeiten, bestrafen.“ Zudem sei es schon ein Fortschritt gegenüber dem Koalitionsvertrag, dass Arbeitslose den Sockelbetrag des Elterngeldes zusätzlich zum Arbeitslosengeld II erhielten. Das sei ursprünglich nicht so vorgesehen gewesen.
Ein weiteres Manko des angeblichen 1:0 ist, dass dies keinesfalls der Endstand ist. Familien, die sich auf das von der Regierung anvisierte Modell einlassen, ein Jahr auszusteigen und dann wieder in den Beruf zurückzukehren, stehen nämlich am Ende der Elternzeit vor einem neuen Dilemma. In den meisten Bundesländern gibt es kaum Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren. Als das Statistische Bundesamt zuletzt im Jahr 2002 nachzählte, gab es in Bayern für 1.000 Kinder genau 21 Plätze. Die Bundesregierung hat allerdings gesetzlich festgelegt, dass bis 2010 bundesweit 230.000 neue Plätze für Kleinkinder entstehen sollen. Ob die Kommunen in dieser Richtung gestartet sind, soll ein Fortschrittsbericht zeigen, den von der Leyen Anfang Juli vorstellen wird. Bis zum Beweis des Gegenteils also könnte dem Führungstreffer noch eine heftige Schlappe folgen.