: Sozialhilfe mit 67
VON ULRIKE WINKELMANN
Die SPD-Linke kündigt ihrem Arbeits- und Rentenminister Franz Müntefering (SPD) Ärger bei der Rente mit 67 an. Er gehe davon aus, „dass wir eine offene Diskussion darüber hinbekommen, ob das Projekt ‚Rente mit 67‘ zielführend ist – oder ob es zu massiver Altersarmut führt“, erklärte gestern der Abgeordnete Ottmar Schreiner der taz. Er ließ dabei keinen Zweifel, dass sein Argumentationsmaterial eher Letzteres vermuten lässt – wie auch der 5. Altenbericht der Bundesregierung.
Dieser mehrhundertseitige Bericht zur Lage der 60- bis 80-Jährigen wurde Ende August 2005 der damaligen Seniorenministerin Renate Schmidt (SPD) übergeben. Schmidt gab der Presse damals nur einige Stichworte daraus kund. Den Bericht selbst aber hält die Regierung seither unter Verschluss. Er enthält arge Kritik an dem Plan, das Eintrittsalter in die gesetzliche Rente von 65 auf 67 Jahre zu erhöhen. Genau dies aber hat sich die große Koalition vorgenommen: In diesem Herbst soll das Gesetz dazu erarbeitet werden, ab 2012 das Rentenalter in Monatsschritten anzuheben (siehe Grafik).
Die Autoren des Altenberichts kommen zum Schluss, dass aus der Kombination der bereits beschlossenen Rentenkürzungen, der brüchiger gewordenen Erwerbsbiografien und der Rente mit 67 „erhebliche Probleme resultieren“, erklärte gestern der Bremer Rentenforscher und Mitautor Winfried Schmähl der taz.
Darin sei das elfköpfige Wissenschaftlerteam sich völlig einig – mit allerdings unterschiedlichen Folgerungen. Ein Teil der Kommission meine, dass die Rente mit 67 gar nicht vertretbar sei, solange die Arbeitsmarktlage so ungünstig bleibe. Der andere Teil – darunter Schmähl selbst – dagegen finde, die Rente mit 67 sei dann vertretbar, wenn die 2001 und 2004 beschlossenen Rentenkürzungen zurückgenommen würden, erläuterte Schmähl.
Diese Kürzungen, kombiniert mit der Rente mit 67, führten dazu, dass „ein Durchschnittsverdiener 37 Arbeitsjahre braucht, um allein auf eine Rente in Höhe des Sozialhilfesatzes zu kommen“, hat er ausgerechnet. Und dies gelte auch bloß, wenn die Sozialhilfe ihren Prozentanteil am Durchschnittseinkommen halte – womit freilich nicht zu rechnen ist. Gegenwärtig reichten für die Erreichung des Sozialhilfeniveaus immerhin 26 Arbeitsjahre. Allein die rot-grünen Rentengesetze ab 2000 führen nach Schmähls Prognosen dazu, dass die gesetzlichen Renten bis 2030 um ein Viertel sinken.
Die Altenberichts-Kommission fordert deshalb, das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente besser abzusichern. Es müsse deutlich überm Sozialhilfesatz liegen, damit das Rentensystem überhaupt seine Legitimation behalte. Die großzügig bemessene Hinterbliebenenrente müsse aus Steuern finanziert werden. Weiterbildung müsse stark ausgebaut werden. Selbstständige müssten in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.
Nichts davon wird die jetzige Regierung gerne hören. Doch heißt es, nach über zehn Monaten soll der Altenbericht nun am 5. Juli ins Kabinett und damit auch öffentlich werden. Das Familienministerium erklärte gestern, die Verzögerung rühre vom Regierungswechsel. Seither arbeiteten die betroffenen Ministerien – darunter die für Familie, Arbeit und Finanzen – an „ordentlichen und qualifizierten Stellungnahmen“.