: Spektakel über Mode, ganz ohne Kleider
UNTRAGBAR Kurz vor dem Start der Fashion Week wird Mode in Berlin zur Chefsache. Der Regierende Bürgermeister eröffnete am letzten Donnerstag die Ausstellung „Dysfashional“ im Haus der Kulturen der Welt
VON DIANA WEIS
„Dysfashional“ ist ein Spektakel über Mode und eine Ausstellung, die ganz ohne Kleidungsstücke auskommt. Das Konzept dazu stammt von dem Kuratoren-Duo Emanuele Quinz und Luca Marchietti, die namhafte Designer darum baten, statt Kleidern Objekte oder Installationen zu entwerfen. „Unser Ansatz war es, das Grenzgebiet zwischen Mode und Kunst zu erforschen“, erklärt Quinz. Die Liste der Mitwirkenden bietet kaum Überraschungen. Gezeigt werden unter anderem Beiträge von Bless, Maison Martin Margiela, Hussein Chalayan oder Bernhard Willhelm, deren Entwürfe sich typischerweise an der Grenze des Tragbaren bewegen und die deshalb gerne als Belege für die Kunstfähigkeit der Mode zitiert werden.
Kulturhistorisch reicht der Streit über die vermeintliche Trivialität der Bekleidung bis ins 18. Jahrhundert zurück, als es zu einer Trennung von Kunst und Handwerk kam und die Mode Letzterem zugeordnet wurde. Seit der Erfindung der Haute Couture Ende des 19. Jahrhunderts kämpfen die Modeschöpfer um ihre Wiederanerkennung als Künstler. Immerhin lässt sich nicht leugnen, dass die Mode neben den körperlichen auch geistige Bedürfnisse zu befriedigen vermag: „Die Mode an sich ist immateriell, eine Idee, eine Vorstellung“, glaubt Marchietti und verweist auf die identitätsstiftende Funktion von Kleidung.
„Dysfashional“ ist das jüngste Beispiel dafür, dass die Mode sich nach den USA, Frankreich und England auch in Deutschland einen festen Platz in Museum und im Feuilleton erobert hat und die modische Stilkritik nun mit der gleichen verbissenen Ernsthaftigkeit betrieben wird, die traditionell der Kritik der Kunst vorbehalten war.
Ein Grund dafür mag sein, dass die Mode die Menschen fasziniert, was sich über die zeitgenössische Kunst nicht sagen lässt. Wer das nicht glaubt, braucht nur die Besucherzahlen eines beliebigen Einkaufstempels mit denen des Galerienviertels vergleichen.
„Wir leben in einer ästhetisch diffusen Zeit“, kommentiert Marchietti diese zunehmende Vermischung von U- und E-Kultur, die zu einer Auflösung der starren Genregrenzen führt.
Dabei sollte die Frage nicht lauten, ob die Mode den Vergleich mit der Kunst scheuen muss, sondern ob sie ihn überhaupt braucht.
Die amerikanische Modetheoretikerin Valerie Steele sagte jüngst bei einem Vortrag im Kulturforum, die Rechtfertigung der Mode durch die Kunst wäre längst überholt, schließlich wisse seit Andy Warhol niemand mehr so recht, was die Kunst eigentlich sei.
Bedenkt man die perfekte Anpassung der zeitgenössischen Kunstproduktion an die Gesetze des Marktes, wirkt es fast rührend, wenn ausgerechnet die Mode sich gegen ihre Kommerzialisierung sträubt.
Viele der für „Dysfashional“ geschaffenen Exponate bleiben nah am Ausstellungskonzept: Jil Sander-Designer Raf Simmons zeigt per Videoinstallation, woher die Inspirationen für seine Entwürfe stammen, Justin Morin und Billie Mertend bekleben Totempfähle mit bunten Hair-Extensions und Antonio Marras inszeniert überlange Kleider als Leuchtskulpturen. Die schiere Verweigerung von Tragbarkeit wird dabei schnell als Augenwischerei entlarvt, ein billiger Trick um aus Alltags- und Gebrauchsobjekte Kunstwerke zu zaubern.
Mehr Fantasie und vor allem mehr Humor beweist Bernhard Willhelm, der zusammen mit dem Künstler Christophe Hamaide-Pierson in einer Fotoserie Fashion-Ikonen wie Anna Wintour (Vogue) oder Suzy Menkes von der Harald Tribune als Genital-Installationen abbildet und dabei den blutleeren Perfektionismus der Stilbibel Vogue genüsslich durch den Kakao zieht.
Die Geruchskünstlerin Sissel Tolaas setzt an mit Stadtplänen bezogenen Duftsäulen Paris, London und New York und Berlin in Szene und zitiert damit den Mythos jener Orte, die Mode angeblich förmlich ausdünsten.
Hier schließt sich der Kreis, denn durch ihre Reduktion auf eine Essenz wird die Mode ironischerweise als das ausgestellt, was ihre Kritiker ihr von jeher vorgeworfen haben: etwas Flüchtiges und leicht Vergängliches, an das sich schon kurze Zeit später niemand mehr zu erinnern vermag.
Und wie riecht die Luft der Modestadt Berlin? Eine erste Analyse ergibt: 30 % Currywurst, 30 % Latte macchiato, der Rest Pheromone. Eben ein bisschen arm, ein bisschen schick und sehr, sehr sexy.