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Archiv-Artikel

Polizei und Schlapphüte rücken sich näher

Niedersachsen rühmt die Zusammenarbeit von Landeskriminalamt und Verfassungsschutz, die Grünen fordern ein Ende des Datenabgleichs und sehen das Trennungsgebot unterlaufen

Rote Linien stehen für „Verbindungen zu extremistischen Organisationen“, lilafarbene für „internationale Bezüge“. Das mit einer Unmenge von Strichen und Kreisen ausgestattete Schaubild rund um einen blau eingekringelten „potentiellen Islamisten“ wirkt eher verwirrend als erhellend – tatsächlich soll es zeigen, wie Polizisten und Verfassungsschützer in Niedersachsen im Gemeinsamen Informations und Analysezentrum (GIAZ) Terroristen und Extremisten jagen. Das Projekt sei „bundesweit einmalig und federführend“, rühmte sich gestern Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der das GIAZ vor 16 Monaten gegen alle verfassungsrechtlichen Bedenken ins Leben gerufen hatte.

Je vier Mitarbeiter von Landeskriminalamt (LKA) und Verfassungsschutz (VS) führen im LKA Informationen in einer gemeinsam genutzten Datei zusammen. Für die Fußball-WM wurden Daten über 2.300 Hooligans gesammelt, 28 Meldeauflagen und 54 Aufenthaltsverbote erteilt, erklärte Schünemann. Auch bei der Abstimmung über Aktivitäten auf dem, vom Rechtsextremisten Jürgen Rieger in Dörverden gekauften, Heisenhof habe das GIAZ geholfen. Bei der Fahndung nach islamistischen Strukturen hätten die Behörden „ein besseres Lagebild“ erreicht. Das GIAZ führe Fotos und Infos über Wohnorte, Telefonnummern und Kontakte von Verdächtigen zusammen, erklärt Kommissar Michael Fischer. „In jedem Einzelfall“ werde entschieden, ob die Details in die Datei einfließen sollen – beispielsweise, ob auch die Polizei Kenntnis über einen Spitzel bekommen soll.

Die Arbeit sei „einfacher geworden, weil nicht mehr jeder für sich ein Lagebild erstellt“, sagt der Chef der Landes-Verfassungsschützer, Volker Homuth. Der Staat müsse den “islamistischen Netzwerken ein Netzwerk der Sicherheit gegenüber stellen“. Die bessere Vernetzung „wünsche ich mir auch in Berlin“, sagte Schünemann. Beim dortigen „Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum“ (GTAZ) ist die Arbeit von VS und Polizei stärker getrennt. Die „Berührungsängste“ seien aus seiner Sicht „völlig unberechtigt“.

Eine Einstellung des Projektes forderten dagegen die Grünen. Schünemann feiere sein „niedersächsisches Gegenkonzept“ zum GTAZ, obwohl keine klaren Erfolge zu verzeichnen seien, sagte der Innen-Experte Hans-Albert Lennartz. Das Zentrum sei überflüssig, weil es „in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Art und Weise“ das Trennungsgebot zwischen Polizei und Schlapphüten unterlaufe. Gemeinsame Ermittlungen habe es bereits in der Vergangenheit gegeben. Die Datenabgleiche bei Gewalttätern im Vorfeld der WM oder beim Heisenhof wären auch ohne GIAZ möglich gewesen.

Kai Schöneberg