: Discount-Preise nicht für Asylbewerber
Flüchtlinge bekommen beim weltgrößten Einzelhandelsunternehmen ihr Wechselgeld nicht zurück: Bezahlen sie mit Gutscheinen, behält die Supermarktkette Wal-Mart Restsummen einfach ein. Ein Beispiel aus Celle
von KAI SCHÖNEBERG
„Die Preise bleiben immer unten“, wirbt das weltgrößte Einzelhandelsunternehmen für sich. Das stimmt derzeit höchstens für Deutsche: Asylbewerber, die bei Wal-Mart mit Gutscheinen einkaufen, bekommen ihr Wechselgeld nicht zurück. Derzeit behält der US-Discounter in seinen deutschen Filialen zum Beispiel zwei Euro einfach ein, wenn ein Flüchtling für acht Euro einkauft, aber nur einen Zehn-Euro-Gutschein vorlegen kann. Das werde in allen 85 Wal-Mart-Filialen in Deutschland so gehandhabt, bestätigt eine Sprecherin des Unternehmens. Dieses allerdings stelle der Stadt auch „nur das in Rechnung, was der Kunde tatsächlich kauft“.
Von dieser „Sonderregelung“ indes weiß man beispielsweise in der Stadt Celle nichts. Vielmehr rechnet dort offenbar nicht nur Wal-Mart gerne zu seinen Gunsten ab. „Wir haben im vergangenen Jahr bereits sieben Einzelhandelsketten darauf hingewiesen, dass sie den Flüchtlingen einen Kassenbon geben müssen“, sagt der Celler Abteilungsleiter im Amt für Soziales, Matthias Peters. „Und dass Wechselbeträge bis zu zehn Prozent des Einkaufswertes in bar zurückgegeben werden müssen.“ So will es ein niedersächsisches Landesgesetz. Das Verhalten von Wal-Mart sei „nicht in Ordnung“, findet Peters. Wie viel Geld sich der Einzelhandel bei den 200 Flüchtlingen in der Stadt zusätzlich verdient hat, kann er nicht sagen.
Von einem „Skandal“ spricht die Celler SPD-Landtagsabgeordnete Amei Wiegel. Die Grünen forderten im Stadtrat bereits zum wiederholten Mal die Kommune auf, Unternehmen wie Wal-Mart zur Änderung ihrer Geschäftspraxis anzuhalten. Es könne „nicht sein, dass Leistungen an Asylbewerber ungerechtfertigt gekürzt werden“, sagt auch Michael Knaps aus dem niedersächsischen Innenministerium. „Es kann auch nicht sein, dass sich der Einzelhandel ungerechtfertigt an den Leistungen für die Flüchtlinge bereichert.“ Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat ist empört: „Wal-Mart betrügt Flüchtlinge“, sagt er. Aber „vielleicht betrachten die das als Ausgleich für das komplizierte Verfahren“, das der Gutschein-Einkauf mit sich bringt.
In der Ausgabe von Coupons anstelle von Bargeld an Asylbewerber sieht Weber ohnehin eine weitere Methode, Flüchtlinge zu schikanieren. Sie müssen von gerade mal zwei Dritteln der Summe leben, die ein Langzeitarbeitsloser erhält. Während Empfänger von Arbeitslosengeld II in Westdeutschland monatlich 345 Euro Unterstützung vom Staat erhalten, muss ein Familienvorstand in Bundesländern wie Niedersachsen oder Schleswig-Holstein mit 40,90 Euro Bargeld und Wertgutscheinen oder Chipkarten im Wert von 184,07 Euro auskommen – die Höhe ist seit 1993 gleich geblieben. Wenn Discounter wie Wal-Mart auch nur wenige Cent einbehalten, schlägt das bei ihnen schwer zu Buche.
Ohnehin birgt der Einkauf mit Gutscheinen einige Tücken: KassiererInnen reagieren oft unwirsch, weil die Abrechnung zeitaufwändig ist. Zudem können Flüchtlinge mit den Coupons auch gar nicht alles einkaufen, was die Regale hergeben. „Gilt nicht für Alkohol und Tabak“, steht etwa auf den Gutscheinen. „Alles, was nach Luxus riecht, ist ausgeschlossen“, sagt Weber. Angeblich soll die Gutscheinausgabe die Flüchtlinge daran hindern, Schleuserbanden zu bezahlen – oder das Geld gar zurück in die Heimat zu schicken. Offenbar verführen die Gutscheine aber vor allem zum Missbrauch: Gewiefte Trickser zahlen für einen Bon einen Teil des realen Werts in bar aus. „Wir gehen mit den Gutscheinen sogar einkaufen und geben den Flüchtlingen die volle Summe“, sagt Weber.
Die Celler Landtagsabgeordnete Georgia Langhans fordert bereits seit langem, dass den Städten freigestellt werden soll, ob sie Gutscheine oder Bargeld ausgeben. In Bundesländern wie Hamburg oder Bremen bekommen die Asylbewerber von den Behörden Geld statt Gutscheinen ausgehändigt.
Es handle sich um ein „technisches Problem“, sagt die Wal-Mart-Sprecherin zu den Gutschein-Fehlbeträgen. Die Kassen seien derzeit nicht dazu in der Lage, Rückgeld auszuzahlen. „Wir prüfen derzeit, ob man das umstellen kann“. Celles Sozialamtsleiter Peters ist bestürzt, dass viele der Asylbewerber seit langem mehr zahlen als sie eigentlich müssten: „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich mit jedem Einzelnen da hingegangen und hätte gefragt: Was ist hier los?“