: Herr Birk geht, kassiert und verdient weiter
FINANZEN Ein CDU-Landtagsabgeordneter aus Baden-Württemberg hat trotz seines nahtlosen Wechsels in die Wirtschaft 144.000 Euro Übergangsgeld kassiert. Grüne und SPD fordern Änderungen dieser Praxis
■ Die Höhe: Das Übergangsgeld für baden-württembergische Abgeordnete berechnet sich folgendermaßen: Landesparlamentarier, die mindestens ein Jahr im Landtag saßen, erhalten die dreifache Monatsentschädigung von 7.199 Euro. Jedes weitere Jahr als Abgeordneter erhöht die Zahlung um 7.199 Euro.
■ Der Fall: Dietrich Birk war knapp 18 Jahre CDU-Landtagsabgeordneter. Demnach erhält er 143.980 Euro. Die gesetzliche Obergrenze liegt bei 170.000 Euro.
STUTTGART taz | Der CDU-Abgeordnete Dietrich Birk war ein Urgestein im Landtag. 18 Jahre lang war er Mitglied des baden-württembergischen Parlaments. Als er zum Jahreswechsel den Apparat verließ, wurde ihm finanziell geholfen – eigentlich, um wieder in der freien Wirtschaft Fuß zu fassen.
Doch Birk hatte schon einen, vermutlich gutbezahlten Job als Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau in Baden-Württemberg. Trotzdem hat er das Übergangsgeld des Landtags, knapp 144.000 Euro, gerne genommen. Birk selbst will die Angelegenheit nicht kommentieren. Laut Abgeordnetengesetz steht ihm das Geld auch zu.
Doch die Angelegenheit hat für Empörung im Parlament gesorgt: SPD und die Grüne haben eine Initative gestartet, wonach das Übergangsgeld mit Folgeeinkommen verrechnet wird. Außerdem wird von den Grünen eine Karenzzeit zwischen Abgeordnetentätigkeit und neuem Job in der Wirtschaft gefordert, sofern die Politiker mit der entsprechenden Branche zu tun hatten.
Übergangsgeld wird bei einem Wechsel in die Wirtschaft ohne Abstriche gezahlt. In der laufenden Legislaturperiode entfielen bereits gut 271.000 Euro Übergangsgeld auf sechs ausscheidende Abgeordnete. Birks Anteil macht mehr als die Hälfte davon aus.
Absurd wirkt am Gesetzestext vor allem, dass ältere Abgeordnete, die anschließend eine Beamtenpension beziehen, diese auf das Übergangsgeld anrechnen lassen müssen, während ein Wirtschaftsboss alles einstreichen darf. Wer einen Job im öffentlichen Dienst annimmt oder in einem Unternehmen, an dem das Land mehrheitlich beteiligt ist, muss sein Einkommen ebenfalls anrechnen lassen.
Grünen-Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann sagt, es gehe um eine Absicherung nach der Zeit im Parlament, nicht um einen goldenen Handschlag. „Wenn es keine Pause zwischen Parlament und Rückkehr in den Beruf gibt, sollte es auch kein Übergangsgeld geben.“
Auch der Steuerzahlerbund kritisiert die Angelegenheit. Landesvorsitzender Wilfried Krahwinkel fordert, dass nur derjenige Übergangsgeld erhält, der „nicht umgehend in ein Berufsverhältnis zurückkehren kann“.
Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) hat auf Initiative der Regierungsparteien nun die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Parteien eingeladen, um über die Neuordnung des Übergangsgelds zu sprechen. Ein Termin für die Runde steht noch nicht fest. Falls sie sich auf eine Gesetzesänderung einigen können, wäre diese in einem Monat durchs Parlament zu bringen.
Ob auch die CDU zustimmt, bleibt abzuwarten. Dietrich Birks Parteikollege, CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Hauk, hat die jetzige Regelung des Übergangsgeldes als „tragfähig“ bezeichnet. Ziel des Übergangsgeldes sei unter anderem, „den Austausch der besten Köpfe zwischen Politik und Wirtschaft weiter zu fördern“, sagt Hauk. Dass dieser Wechsel nahtlos funktionieren kann, zeigt Birks Beispiel. Ob das Übergangsgeld dazu in irgendeiner Form beigetragen hat, darf bezweifelt werden.LENA MÜSSIGMANN
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