Die Krux mit dem Gewinn

MILLIARDÄRE Spenden sind wichtig, aber sie verändern zu wenig an Strukturen, die Arme und Reiche erst schaffen. Gates und Buffet sind keine Ausnahmen

Gigantische Gewinne müssen Vorstände unter Legitimationsdruck setzen. Ohne Ausbeutung sind sie nicht zu haben

Wenn Milliardäre Milliarden spenden, ist das ein feiner Zug. Softwareunternehmer Bill Gates, Investor Warren Buffet, Banker David Rockefeller und andere Steinreiche der USA haben unlängst erklärt, mindestens die Hälfte ihres Privatvermögens für gute Zwecke spenden zu wollen. Sie würden damit der Gesellschaft einen Teil des Geldes zurückgeben, das sie mithilfe des Staates und vieler anderer Menschen erwirtschaftet haben. Besser allerdings wäre es, wenn die horrenden Vermögen, die mittels Spenden teilweise umverteilt werden sollen, gar nicht erst entstünden.

Vor dem Reichtum

Denn womit verdienen Leute wie Gates, Buffet und Rockefeller ihr Geld? Gates’ Firma Microsoft beispielsweise lässt auch in China produzieren, wo sich die Löhne der Arbeiter an den niedrigen staatlichen Mindestlöhnen orientieren. Diese liegen häufig bei rund 130 Euro pro Monat, folglich unter dem Existenzminimum.

Investor Buffet verdient unter anderem Geld mit der Ölpest, die der Konzern BP in Golf von Mexiko angerichtet hat. Eine Firma, an der Buffet beteiligt ist, liefert die umstrittene Chemikalie, die das ausgelaufene Erdöl unter die Meeresoberfläche drückt. Und Rockefeller als ehemaliger Chef der Chase Manhattan Bank mehrte sein Vermögen, indem er mit Aktien von BP und anderen Mineralölkonzernen spekulierte, ohne dass ihn eventuelle Umweltschäden interessierten.

Das Verhalten der reichen Spender ist ein Beispiel für die Herrschaft des Prinzips der Gewinnmaximierung. Manager und Vorstände setzen den Gewinn ihrer Unternehmen absolut. Sie ordnen ihm alles andere unter. Werte wie der faire Umgang mit Beschäftigten und Umweltschutz spielen in ihren strategischen Überlegungen eine viel zu geringe Rolle. Ihrem Denken fehlt die Balance.

Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, dass sich die Bürger und die Zivilgesellschaft kritisch mit der Kategorie des Gewinns auseinandersetzen. Dieser wirkt oft als Antrieb zur Verantwortungslosigkeit. Zugleich ist der Profit sakrosankt, durch ein Tabu geschützt. Kaum jemand wagt, dieses Basisprinzip infrage zu stellen.

Dabei gibt es schlechte Gewinne, die auf Kosten der Allgemeinheit erwirtschaftet wurden, und gute Gewinne, die sich im Rahmen halten. Der Satz „Der Gewinn dieses Unternehmens ist zu hoch“ muss eine ernst zu nehmende Aussage werden, die die Vorstände unter Rechtfertigungsdruck setzt.

Wann ist ein Gewinn zu hoch?

Fast alle Unternehmer und Manager betonen heute, dass ihre Firmen von Jahr zu Jahr mehr Umsatz und Gewinn machen müssten, um zu überleben. Diese Argumente sind zum Teil plausibel. Denn die Unternehmen stehen unter dem Druck, Kosten zu finanzieren, die tendenziell wachsen. Im Zuge der normalen Inflation können Rohstoffe und Vorprodukte teurer werden und die Löhne steigen.

Wer außerdem neue, gute Produkte verkaufen will, muss ständig forschen, entwickeln und investieren – und zwar mindestens so viel, dass die Firma gegenüber der Konkurrenz nicht zurückfällt. Kann eine Firma nicht mithalten, sinkt ihr Marktanteil. Dann schwebt sie in der Gefahr, in die Verlustzone zu geraten und von einem Wettbewerber geschluckt zu werden. Wenn alle Kosten finanziert und gute Produkte am Markt sind, sollte die Firma zudem einen Gewinn für die Eigentümer und Aktionäre abwerfen. Denn die wollen berechtigterweise von ihrem Eigentum profitieren.

Zu diesem Punkt sagt der Drogerieunternehmer Dirk Roßmann, dass er mit 3 Prozent Rendite im Verhältnis zum Umsatz zufrieden sei. Bei rund 3 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die drittgrößte Drogeriekette Deutschlands 2009 etwa 90 Millionen Euro Gewinn vor Steuern.

Rossmann ist ein erfolgreiches Unternehmen, es expandiert, ist konkurrenzfähig und bezahlt seinen Beschäftigten anständige Löhne, was man nicht von allen Drogisten und Discountern behaupten kann. Das zeigt: Es ist für Unternehmen nicht notwendig, mit Supergewinnen auf Platz eins der Branchenhitliste zu stehen. Niemand ist gezwungen, der dickste Hirsch zu werden. Wenn BP 2009 eine Umsatzrendite (Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) von 6,9 Prozent erwirtschaftete, der Energiekonzern Eon von 10,3 Prozent, H&M von 16,2 Prozent und Apple von fast 20 Prozent, dann sollten wir misstrauisch werden. Diese Gewinne sind zu hoch.

Ja, Kapitalsteuer ist die Lösung

Derartige Margen sind nur möglich, weil die Firmen ihren Arbeitern einen fairen Anteil an der Wertschöpfung vorenthalten, ihren Beschäftigten Mindestlöhne verweigern, den Lieferanten zu wenig bezahlen, mit der Umwelt zu sorglos umgehen oder den Verbrauchern zu hohe Preise abknöpfen. All das bedeutet: Sie leben auf Kosten ihrer Umgebung. Daher sollten die Bürger über diese Gewinne der Unternehmen sprechen und sie damit enttabuisieren. Das erste Ziel könnte sein, die Legitimität zu hoher Profite infrage zu stellen. Zudem müssen wir von den Unternehmen verlangen, einen nennenswerten Teil der hohen Gewinne an die Gesellschaft zurückzugeben. Wir können die Vorstände nerven – mit Kampagnen, Aktionen und jeder einzelnen Kaufentscheidung.

Eine Variante, das große Geld zu resozialisieren, sind freiwillige Spenden. Indem Bill Gates einen guten Teil seines Privatvermögens an seine wohltätige Stiftung überschrieben hat, fördert er sinnvolle medizinische Entwicklungen im Kampf gegen Aids und Malaria. Trotzdem hat diese Spendenbereitschaft einen entscheidenden Nachteil: Die riesigen Vermögen bleiben in der Hand einer sehr kleinen Gruppe sehr einflussreicher Personen. Diese brauchen sich nicht an den Wünschen der Mehrheit oder der Politik zu orientieren. Das kann gut gehen, mag aber auch zu einer demokratisch nicht legitimierten Politik führen, die nicht im öffentlichen Interesse ist.

Das sicherste Mittel, das große Geld vernünftigen Aufgaben zuzuführen, sind deshalb höhere Steuern auf Kapital – am besten auf internationaler Ebene. In diesem Sinne hat EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski gerade vorgeschlagen, eine Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte zu erheben, die in die Kassen der EU fließen könnte. HANNES KOCH