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Archiv-Artikel

Der chinesische Weg

KONJUNKTUR Schlechte Wirtschaftsentwicklung und eine straffere US-Geldpolitik lassen die Währungen der Schwellenländer purzeln. Die Volksrepublik bildet die Ausnahme

Zu kurzfristigen massiven Kapitalabflüssen kann es in China gar nicht kommen

AUS PEKING FELIX LEE

Besonders hart hat es die Schwellenländer getroffen. Weltweit sind in den vergangenen Tagen die Aktienkurse eingebrochen. Neben der schlecht laufenden Konjunktur macht Ländern wie Indien, Brasilien und der Türkei der starke Kapitalabfluss zu schaffen. Allein in den vergangenen Wochen haben nach Angaben der Bank of America Anleger weltweit 6,4 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern abgezogen. Die Währungen haben binnen Kurzem mehr als 20 Prozent an Wert verloren.

Eines dieser Länder scheint sich aber als Hort der Stabilität zu erweisen: China. Der Yuankurs bleibt konstant gegenüber Euro und Dollar. Der Kapitalabfluss hält sich in Grenzen. Die Volksrepublik stehe „standhaft wie ein Fels in der Brandung“, sagt Stephen Schwartz, Chefvolkswirt der spanischen Bankengruppe BBVA in Asien. Dabei sind auch Chinas Wirtschaftsdaten nicht nur gut.

Ein Grund der Kapitalflucht ist die zunehmende Straffung der amerikanischen Geldpolitik. Seit die Zentralbank den Aufkauf amerikanischer Staatsanleihen zurückfährt und die Konjunktur langsam anzieht, ist die größte Volkswirtschaft der Welt für Investoren wieder attraktiv geworden, allerdings zu Lasten der Schwellenländer. Dass die Volksrepublik China, das größte Schwellenland, von dieser Entwicklung nicht betroffen zu sein scheint, mag auf den ersten Blick überraschen. Die Konjunkturdaten selbst sind noch typisch: Die chinesische Wirtschaft ist 2012 und 2013 um nur 7,7 Prozent gewachsen, so gering wie seit der Asienkrise von 1999 nicht. Besserung ist nicht in Sicht: Für die nächsten Monate deuten Umfragen sowohl im Dienstleistungssektor als auch in der Industrie auf weiterhin maue Geschäfte hin. Für 2014 befürchten Ökonomen gar eine Abschwächung des Wachstums auf unter 7 Prozent.

Ein Grund, warum die Kapitalgeber nicht aus China flüchten: Die chinesische Zentralbank, die der Staatsführung in Peking unterstellt ist, hat den Yuan eng an den Dollar gekoppelt und lässt Wechselkursschwankungen von maximal 1 Prozent am Tag zu. Gewinnt der Dollar an Wert, steigt auch der Yuan.

Zudem hält Peking weiter an der Kapitalverkehrskontrolle fest: Der Yuan darf in großen Mengen weder ein- noch ausgeführt werden. Auch wenn Anleger immer wieder Schlupflöcher finden – zu kurzfristigen massiven Kapitalabflüssen wie in der Türkei oder in Argentinien kann es in China gar nicht kommen.

Auch wenn das Land also von den Turbulenzen verschont bleibt – China leidet auch, nur anders. Eigentlich will die chinesische Führung seit Jahren das Finanzsystem reformieren und von der restriktiven Kapitalkontrolle lösen. Einiges ist schon geschehen: So wurde der Yuan 2013 um 2,5 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet – so viel wie noch nie. Aber das reicht noch nicht. Nach wie vor gilt Chinas Finanzsektor als unterentwickelt. Er wird von großen Staatsbanken dominiert, die den Anlegern selten lukrative Angebote machen, sondern eher Geld in wenig effiziente Projekte dubioser Staatsunternehmen stecken. Nicht zuletzt deshalb investieren viele Privatanleger lieber einseitig in Häuser und Wohnungen, was wiederum den Immobiliensektor gefährlich aufbläht. Ein stärker liberalisierter Kapitalmarkt würde die Konkurrenz unter den Banken in China verstärken.

„Wegen der jüngsten Turbulenzen in den Schwellenländern fürchtet sich die chinesische Führung aber vor weiteren notwendigen Schritten“, so der unabhängige Finanzanalyst Zachary Keck. Die Reform des Finanzsektors werde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Und weiteres Wachstum so gebremst.