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Archiv-Artikel

Letzte Chance für die Kreativität

Die alte Textilfabrik in der Greifswalder Straße, einst Zentrum für Künstler und Kreative, ist fast völlig entmietet. Selbst der „Magnet-Club“ gibt auf. Eine Interessengemeinschaft will das Haus vor dem Investor retten und selbst kaufen

„Sie sind Projektentwickler und suchen einen verkehrsgünstigen Gewerbestandort in der Mitte von Berlin?“, fragt die DIN-A4-große Anzeige. Unter einem Foto von leeren Fabriketagen preist die TLG Treuhand Liegenschaftsgesellschaft eine Immobilie in der Greifswalder Straße an mit „Loftcharakter“ und „guter Anbindung an den kreativen Prenzlauer Berg“.

Bei der lukrativen Immobilie mit 10.000 Quadratmetern Nutzfläche handelt es sich um das „Treffmodell“-Gebäude, in dessen Vorderhaus unter anderem der „Magnet“-Club untergebracht ist. Einst Zigaretten- und später DDR-Modefabrik, bot das Gelände seit der Wende günstigen Raum für Künstler, Musiker, Architekten, Filmemacher und andere Kreative. Etwa 150 Mieter belegten das Haus, sie zahlten 6 Euro Warmmiete pro Quadratmeter. Anfang dieses Jahres hat die Vermieterin TLG allen gekündigt.

Die meisten Mieter sind inzwischen ausgezogen oder haben es vor – auch der „Magnet“-Club sucht sich eine neue Bleibe. Gegen die wenigen, die noch da sind – ein Theater und ein paar Künstler –, laufen Räumungsklagen, ab Oktober soll die Heizung abgedreht werden.

Die TLG will das Gebäude für einen Kaufpreis von 3,5 Millionen Euro an einen Privatinvestor verkaufen. „Ein völlig übertriebener Spekulationspreis“, sagt der Berliner Atelierbeauftragte Florian Schöttle. Die TLG wird zu diesen Konditionen kaum einen Interessenten für die Großimmobilie finden, so seine Einschätzung. Die Vermietungspolitik beruhe auf einem Denkfehler: „Leer mieten und lukrativ an ein Großunternehmen verkaufen, das sind Vermieterträume von vor 20 Jahren“, sagt Schöttle. „Die Zukunft heißt Kreativwirtschaft.“ Kreative aber sind auf bezahlbare Mieten angewiesen.

Das hat der Bezirk Pankow längst erkannt. Für das Sanierungsgebiet Winsstraße, in dem der ehemalige „VEB Treffmodelle“ liegt, hat er eine gewerbliche Nutzung mit kulturwirtschaftlichem Schwerpunkt festgelegt. „Wir brauchen eine bezahlbare Infrastruktur für die 7.000 kreativen Freiberufler im Bezirk. Was wir nicht brauchen, sind Luxuslofts“, sagt Pankows Bezirksstadträtin für Kultur und Wirtschaft, Almuth Nehring-Venus (PDS). Sie ist entsetzt über das „irrationale“ Gebaren der bundeseigenen Immobilienholding.

Doch obwohl Bezirk und Senatskanzlei öffentlich die Partei der Mieter ergreifen, stellt die TLG auf stur. Einen runden Tisch mit Mietern und Bezirk ließ sie platzen, ebenso verweigerte sie ein Moratorium für die trotz Kündigung verbliebenen Mieter.

Ein Häuflein Aufrechter kämpft weiter um das Haus. Die Mieterinitiative „Treffmodelle“ will beweisen, dass das Haus als Kreativzentrum eine Zukunft hat. Per Anzeige und Internet suchte sie Firmen und Einzelunternehmer, die sich für 6 Euro Warmmiete im Haus einmieten wollen. Mit Erfolg: Über 120 schriftliche Bekundungen von „Mietinteresse“ sind bisher eingegangen, berichtet „Treffmodell“-Organisator Günter zur Nieden. „Wir können eine Mieterauslastung von 75 Prozent mit 320 Arbeitsplätzen vorweisen“, sagt er. „Die TLG aber hat noch nicht einmal einen Interessenten.“ Eine „gesunde Mischung aus Gründern und erfahrenen Geschäftsleuten“ soll das Haus nach den „Treffmodell“-Plänen zu einem kreativwirtschaftlichen Zentrum machen. „Das Konzept ist keine Spinnerei, es steht finanziell auf sicheren Füßen“, sagt der Atelierbeauftragte Schöttle, der sich ärgert, „wie ein Hausbesetzer“ behandelt zu werden.

Die Initiative beteiligt sich mit ihrem Konzept an dem von der TLG ausgeschriebenen Bieterverfahren, das Ende August abläuft. Zur Nieden ist zuversichtlich, dass man 3 Millionen Euro aufbringen könne, man sei bereits im Gespräch mit Banken und Senat. NINA APIN