Illegale Einwanderer werden zwangsgeräumt

Französische Polizei vertreibt rund 1.000 Bewohner eines besetzten Hauses bei Paris. Vielen droht die Abschiebung

Paris taz ■ Es war das größte „Squat“ Frankreichs. Der Ruf des besetzten sechsstöckigen Hauses reichte bis nach Westafrika. Dorther stammt die Mehrheit der 800 bis 1.000 Menschen, die seit drei Jahren in dem Haus in einer Universitätsstadt in Cachan in der Banlieue von Paris wohnten. Gestern Morgen um 9 Uhr marschierte ein großes Polizeiaufgebot vor dem Squat auf. Die Räumung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.

Ein Teil der HausbewohnerInnen sollte in Notunterkünften in Billighotels einquartiert werden. Einem anderen Teil droht die Obdachlosigkeit. Wieder andere – möglicherweise die Mehrheit – riskieren die Abschiebung aus Frankreich. Die meisten HausbesetzerInnen von Cachan stammen aus der Elfenbeinküste und aus Mali. Viele haben keine Aufenthaltspapiere.

Der Polizeieinsatz erfolgte wenige Tage nach der Rückkehr von Innenminister Nicolas Sarkozy aus dem Urlaub. Am Abend des 15. August war Sarkozy braun gebrannt in den Hauptfernsehnachrichten aufgetreten und hatte im Interview ein stärkeres Durchgreifen gegen die „unkontrollierte Einwanderung“ angekündigt. Er wiederholte auch eine Zahl, die er bereits seinen Präfekten als Zielvorgabe genannt hatte: 25.000 Abschiebungen noch vor Ende des Jahres.

In den Tagen nach dem Ministerauftritt vor den Kameras wurden Räume in Notunterkünften beschlagnahmt. Auch häuften sich die Klagen des Bürgermeisters und der AnwohnerInnen von Cachan sowie von SprecherInnen der rechten Regierungsparteien über die „sanitären Missstände“ in dem Squat und die bedrohte „Sicherheit der Bewohner der umliegenden Siedlung“.

Der Innenminister und Präsidentschaftskandidat in spe Sarkozy hat den Kampf gegen die „illegale Einwanderung“ sowie jenen für „mehr innere Sicherheit“ zu seinen beiden Hauptthemen gemacht.

Menschenrechtsgruppen und linke PolitikerInnen sprachen gestern noch während der laufenden Räumungsaktion von einem „Medienspektakel“, von „Demagogie mit Abschiebezahlen“ und einer „polizeilichen Verbiesterung“. Manche fühlten sich an die Äxte erinnert, mit denen die Polizei vor auf den Monat genau zehn Jahren die Kirchentüren von Sankt Bernard in Paris eingeschlagen hatte. Im Inneren der Kirche hatten papierlose Afrikaner wochenlang mit einer Besetzung und einem Hungerstreik gegen ihre rechtlose Lage in Frankreich protestiert. Auch gestern verbarrikadierten sich einige HausbesetzerInnen in den oberen Stockwerken des Squat in Cachan.

Am späten Nachmittag wollten Linke vor dem zuvor besetzten Gebäude demonstrieren. Unter anderem verlangen sie Unterkünfte für alle geräumten Personen. Ein Verantwortlicher der kirchlichen Asylgruppe Cimade beobachtete gestern, dass dutzende von Plätzen in den umliegenden Abschiebezentren freigemacht wurden. Den KritikerInnen der Räumung, an der rund 400 PolizistInnen beteiligt waren, ist klar, dass ihrem Land eine „rentrée fliquée“ bevorsteht – eine polizeiliche Rückkehr aus der Sommerpause.

DOROTHEA HAHN