: Donquichotterie im Libanon
CONTRA: Deutschland sollte sich nicht an einer UN-Mission im Südlibanon beteiligen. Dem Einsatz fehlt die politische Perspektive, und Deutschland würde zur Kriegspartei
In der deutschen Öffentlichkeit rufen derzeit viele Stimmen dazu auf, sich an einer UNO-Truppe im Libanon zu beteiligen. Es heißt, wir könnten uns der Verantwortung nicht entziehen: Denn wenn wir Soldaten in andere Länder schicken, dann doch wohl erst recht, um Israel und die Sicherheit im Nahen Osten zu beschützen. Diese Argumentation hat allerdings ihre Tücken.
Da ist vor allem der Wortlaut der Resolution 1701. Die Libanesen haben ihn akzeptiert, um die akute Zerstörung ihres Landes zu stoppen. Inzwischen fordert Präsident Emile Lahud bereits, dass sich Länder mit militärischen Verbindungen zu Israel nicht an einer UNO-Truppe beteiligen sollen. Insgesamt sind die israelischen Wünsche in der Resolution stark berücksichtigt worden. Als Aggressor erscheint die Hisbollah, obwohl der Grenzzwischenfall einer von vielen war und so mancher Beobachter den eigentlichen Kriegsbeginn im israelischen Flächenangriff sieht.
Die Resolution fordert die Beendigung der militärischen Kämpfe – vor allem von der Hisbollah –, eine von der UNO gesicherte „Pufferzone“ allein auf libanesischem Gebiet, den Rückzug Israels, die gegenseitige Respektierung der Grenze sowie die Entwaffnung der Milizen im Libanon und das Verbot von Waffenlieferungen an diese.
Hierin spiegelt sich die Donquichotterie des „Kriegs gegen den Terror“ wider. Ganz am Schluss wird kurz auf die Bedeutung israelrelevanter Resolutionen wie der 242 hingewiesen, in denen es wesentlich um das Ende der Besetzung Palästinas und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge geht. Jedes UNO-Mandat, das auf einer so vagen Grundlage erlassen wird, ist ein riskantes Abenteuer. Es ist kein Zufall, dass sich kaum Länder finden, die sich mit Elan engagieren. Es fehlt die Perspektive.
Auf der Grundlage einer Resolution wie der 1701 sollten gar keine UNO-Truppen in den Libanon, weil die Aufgabenstellung weder präzise noch ausgewogen ist. Es ist noch nicht lange her, dass UNO-Soldaten im Libanon durch israelischen Beschuss den Tod fanden, und nicht einmal die UNO selbst hat das verurteilt. Die weiteren Verwicklungen, die nach der Landung von Blauhelmsoldaten im Zedernstaat drohen, sind nicht absehbar. Das Wiederaufflammen der Kämpfe just vor dem Eintreffen der ersten französischen Einheiten bietet einen Vorgeschmack. Wer auch immer den Wunsch hat, den Konflikt zu verschärfen oder bereits vorliegende Kriegspläne umzusetzen, wird hier neue Möglichkeiten bekommen.
Deutsche Soldaten sind dabei in einer besonderen Situation. Mit ihrem „humanitär-militärischen“ Beitrag werden sie kaum in der Lage sein, sich israelischen „Sicherheits“-Interessen zu widersetzen. Sie sind voreingenommen und stehen auf der Seite der israelischen Armee, weil dies für die einzig richtige Konsequenz aus dem Holocaust gehalten wird. Der Glaubwürdigkeit einer friedenstiftenden Mission aber ist das abträglich. Die schnelle Bereitschaft der deutschen Öffentlichkeit zu einer Beteiligung, in Verbindung mit einer unbedingten Israel-Solidarität, deutet eher auf ein militärisches Geltungsbedürfnis hin: keine gute Voraussetzung für eine UNO-Mission und auch nicht für die deutsche Außenpolitik.
Deutschland wähnt sich allgemeinen Respekts sicher, doch längst nicht überall in der arabischen Welt wird es noch als neutraler Vermittler wahrgenommen. Von deutscher Seite wird derzeit weder mit der Hisbollah noch mit Syrien noch mit der Hamas gesprochen. Dieses Verhalten verstärkt den Eindruck, dass es sich im Kern um eine Politik der Ausgrenzung handelt und nicht um eine der Konfliktlösung.
Unter den jetzigen Bedingungen wird eine UNO-Truppe im Libanon von vielen als Besatzungsarmee verstanden werden. Es ist nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, eine solche Politik weiterzuführen oder durch Truppenentsendungen zu rechtfertigen. Lösungen für eine umfassende Schlichtung sind gefragt, nicht Soldaten.
ANIS HAMADEH
Fotohinweis: Anis Hamadeh ist freier Publizist und lebt in Mainz