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Archiv-Artikel

„Sie wollen den Wald verprügeln“

TIERBEGEGNUNG Kerstin Schiele ist Waldpädagogin: Sie arbeitet im Erlebniswald Trappenkamp nördlich von Bad Segeberg. Viele Stadtkinder hätten Probleme, sich Insekten von nahem anzusehen, sagt sie

Von KAH
Kerstin Schiele, 47

■ hat in Kiel Biologie studiert. Heute arbeitet sie als Waldpädagogin im Erlebniswald Trappenkamp nördlich von Bad SegebergFoto: privat

taz: Frau Schiele, wann haben Sie das letzte Mal Müll aufgesammelt?

Kerstin Schiele: Tja, das passiert nicht so oft. Ich habe da eine eigene Ansicht. Die Menschen heute sind so aufgeklärt. Jeder weiß, dass er keinen Müll wegwerfen soll. Wieso sollte ich die Kinder zu Müllsammlern degradieren? Ich will den Kindern klar machen: Wenn keiner Müll in den Wald wirft, muss ihn auch keiner wegmachen.

Trotzdem liegt dort Müll herum. Gefährdet der Müll nicht das Ökosystem Wald?

Je nachdem. Glasscherben stellen eine Gefahr dar, ich sammle sie immer auf. An ihnen kann man sich schneiden und wenn die Sonne darauf scheint, können tatsächlich Waldbrände entstehen. Ein anderes Problem sind die Plastikfolien, sie werden von den Vögeln oft zum Nestbau verwendet. Für sie ist es ein attraktives Baumaterial, sie bauen sich damit aber einen Swimmingpool. Das Regenwasser kann nicht abfließen, das Nest wird feucht, die Eier kühlen aus. Wir Menschen stören uns an dem Anblick einer leeren Zigarettenpackung und Taschentüchern im Wald. Doch bei normalem Müll renne ich nicht hinterher.

Haben Stadtkinder größere Angst vor Insekten?

Wenn Stadtkinder in den Wald kommen, wollen sie ihre Kräfte auslassen. Das erste, was sie tun: Sie suchen sich einen Stock und wollen den Wald verprügeln. Sie haben Probleme damit, sich eine Spinne oder eine Ameise von nahem anzusehen. Sie schreien und beäugen ein solch harmloses Tier aus drei Metern Entfernung.

Freuen Sie sich noch, wenn Sie ein Reh sehen?

Na klar. Schließlich sind wir kein Zoo. Wir können den Besuchern nicht versprechen, dass sie eine Wildbegegnung haben werden. Wir haben aber große Gehege aufgebaut mit Wildschweinen und Rotwild. So wird die Wahrscheinlichkeit größer.

Wie eng gehören Waldpädagogik und Försterei zusammen?

Für uns ist das ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Früher hatten Wald und Forst ein sehr schlechtes Image. Man sprach von Monokultur und Waldsterben. Heute verstehen die Menschen immer mehr, dass Holz ein wichtiger Rohstoff ist. Wir handeln nachhaltig.

Was bedeutet Nachhaltigkeit in diesem Fall?

Wenn ein Sturm Bäume zerstört, bedeutet das, dass wir in den darauffolgenden Jahren weniger Bäume abholzen können.

Können Kleinkinder überhaupt verstehen, wieso der Wald so wichtig ist?

Nein, aber wir versuchen bei ihnen eine emotionale Beziehung zum Wald aufzubauen. Mit unseren Spielen soll der Wald zum positiven Erleben führen. Später lernen sie dann zu verstehen, wie wichtig der Wald im globalen Zusammenhang ist, und verhalten sich dementsprechend.

INTERVIEW: KAH