: „Mit Salz essen die Bürger alles“
Die VerbraucherInnen müssen lernen, wie gutes Fleisch wirklich schmeckt, sagt Fleischforscher Lobitz
taz: Das Gammelfleisch aus Bayern wurde in NRW wahrscheinlich längst verzehrt. Wieso merken die Menschen nicht, wenn sie Jahre altes Fleisch essen? Rüdiger Lobitz: Fleisch kann man wunderbar überwürzen, gerade Döner sind leicht zu manipulieren. Aber vor allem gelingt der Betrug, weil die Bürger keine Vorstellung mehr davon haben, wie gutes Fleisch eigentlich schmeckt. Wenn genug Salz drauf ist, essen sie es. Sie haben überhaupt keinen Maßstab mehr.
Würden Sie denn ein gammeliges Stück Fleisch erkennen?
Ich würde es merken, am Geruch, am Geschmack. Und wenn es überwürzt ist, würde ich es zurückweisen. Jeder und jede kann es lernen.
Das funktioniert aber doch offensichtlich nicht. Nach jedem Skandal steigt der Fleischkonsum nach kurzer Pause wieder auf das alte Niveau.
Niemand kann staatlich verordnen, die Bürger zu mündigen Verbrauchern umzuwandeln. Verbraucherschützer versuchen seit 50 Jahren zu erziehen, ihr Verhalten ändert sich nicht. Sie achten vor allem auf den Preis, der Rest ist ihnen egal.
Also bleibt es dabei: Die BürgerInnen essen, was ihnen von der Fleischindustrie vorgesetzt wird.
Nein, die Kinder müssen schon in der Schule lernen, mit Lebensmitteln umzugehen, wie ein frisch gepresster Orangensaft schmeckt. Der Geschmack muss möglichst früh geschult werden, das fordern wir seit Jahren. Natürlich kommen im Erwachsenenalter neue Erfahrung hinzu, dann können sie plötzlich einen Châteauneuf von einer Liebfrauenmilch unterscheiden.
Nur dass diese Differenzierung unerheblich ist, verglichen mit dem Unterschied zwischen frischem und vergammelten Fleisch.
Schlechtes Fleisch ist aber auch besonders schwer zu erkennen: Das einzige Kriterium ist das Aussehen. Es ist oft eingeschweißt, man kann es nicht befühlen wie eine Frucht oder daran riechen. Kriminelle Produzenten haben leichtes Spiel.
Werden die Skandale in Zukunft noch zahlreicher?
Das ist reine Spekulation, aber möglich ist das. Bei den Verbrauchern haben sich mittlerweile zwei Gruppen gebildet: Diejenigen, denen Essen ungeheurer wichtig ist, die zum Beispiel ‚slow food‘ betreiben. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die schnell und billig essen wollen. Und dann auch Gammelfleisch erwischen.
INTERVIEW: ANNIKA JOERES