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Archiv-Artikel

Irgendwo auf dem nächsten Hügel hinter Jerusalem

NACHBARN Assaf Gavron schildert in dem Roman „Auf fremdem Land“ den Alltag der Siedlungspolitik im Heiligen Land

Zwei ganz unterschiedliche Brüder, ein explosiver Landstrich und die Aussicht auf Hoffnungslosigkeit sind die wichtigsten Beigaben des Romans. Gabi ist der Jüngere und hat lange nichts auf die Reihe gebracht. Irgendwann fand er dann doch zu Gott, jetzt lebt er in einer illegalen Wohnwagensiedlung im Westjordanland. Ron war ein dicker Fisch an der Wall Street. Dann kam die Krise. Er musste New York fluchtartig verlassen, suchte Unterschlupf bei seinem Bruder und versucht es nun mit kleinen Geschäften. Das Olivenöl des arabischen „Nachbarn“ auf dem nächsten Hügel könnte man in israelischen Edelboutiquen teuer verkaufen.

Dem israelischen Bestseller-Autor geht es in seinem Roman „Auf fremdem Land“ um die schleichende Landnahme im gelobten Land und um dieses feine Netz aus Duldung, Wegschauen und Kumpanei zwischen Siedlern und Autoritäten vor Ort. Gavron hat lange recherchiert und lebte in Siedlungen. Ihm fiel wohl vor allem die große Selbstverständlichkeit auf, mit der illegale Siedler sich als rechtmäßige Landbesitzer fühlen.

Diese Atmosphäre der Selbstverständlichkeit verhindert, dass aus dem Roman über das große Reizthema des Nahen Ostens ein politisches Manifest geworden ist. Als politisches Mensch bezieht Gavron klar Stellung: gegen die israelische Siedlungspolitik und für eine Zweistaatenlösung. Als Erzähler beschreibt er die Realität vor Ort. Zur großen Stärke des Romans gehört, dass Assaf Gavron alles sehr nahe zusammenrückt: den Alltag der Menschen, skurrile Momente und die Gottsuche, ideologische Verirrungen und die große Politik – etwa wenn ein US-amerikanischer Politiker die Siedlung besucht und ein Reporter der Washington Post über die Situation vor Ort berichtet.

Plötzlich ist die Siedlung Ma’aleh Chermesch 3 ein Thema. Der Sicherheitsminister muss eigens nach Washington reisen, am Ende rücken die Bulldozer an. Die Siedlung wird plattgemacht, man hat aber das Gefühl, demnächst werde an gleicher Stelle Ma’aleh Chermesch 4 entstehen. JÜRGEN BERGER