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Archiv-Artikel

„Mit Freunden Mittag essen“

WAS BRAUCHEN KINDER? Marco, 13 Jahre alt, kann nur Finanzhilfen gebrauchen, bei denen niemand merkt, dass er aus einer Hartz-IV-Familie kommt

HOMBURG taz | Marco* ist 13 Jahre alt und besucht die 7. Klasse in einem Gymnasium der Universitätsstadt Homburg an der Saar. Marco will auf keinen Fall, dass seine Mitschüler erfahren, dass seine alleinerziehende Mutter arbeitslos ist und „vom Staat lebt“. Das findet er „peinlich“. Wird er von seinen Mitschülern nach ihr gefragt, sagt er, dass sie Hausfrau sei und getrennt von seinem Vater, einem Geschäftsmann, lebe. Und seine in nobleren Stadtteilen wohnenden Mitschüler dürften auch nichts davon mitkriegen, dass er in seinem Viertel für ein kleines Handgeld Reklamezettel verteilt.

Marco wünscht sich, dass seine Mutter Arbeit findet, „damit ich zusammen mit meinen Freunden in der Schule zu Mittag essen kann“, sagt er. 3 Euro am Tag kostet der Mittagstisch in der Schule. 60 Euro Kosten wären das im Monat. Zu viel für die kleine Familie, die mit den beiden Regelsätzen nur 610 Euro monatlich zur Verfügung hat. An Lebensmitteln gibt Marcos Mutter im Schnitt für beide 6 Euro pro Tag aus, die müssen für Frühstück, Mittag- und Abendessen reichen, inklusive Getränke. Marco isst daher zu Hause, in der Zweizimmerwohnung in einer Hochhaussiedlung.

Schon in der letzten Grundschulklasse war der an Naturwissenschaften interessierte Junge einer der Besten. Er ist es jetzt auch im Gymnasium. Nachhilfeunterricht braucht er nicht. In der Schule würden bei Bedarf nachmittags Lehrer nachhelfen, erzählt die Mutter. Und für die Fünft- und Sechstklässler gebe es „Lernpaten“ aus den Oberstufen.

An seinen freien Nachmittagen geht er am liebsten „mit Freunden kicken“. Oder „den Technikworkshop in der Schule besuchen“.

Wenn er zusätzliche Finanzhilfen für Bildungs- und Sportaktivitäten bekäme, würde Marco gern Mitglied beim FC Homburg werden. Der Verein habe schließlich schon einmal in der Bundesliga gespielt. Und bei „einem Profi Gitarre zu lernen“, das fände er auch toll. Sein Genre sei der „Monsterrock“.

2 Euro Taschengeld bekommt Marco an jedem Schultag, „damit er sich wie die anderen Kinder auch einmal eine Cola oder einen Kakao am Kiosk holen kann“, sagt seine Mutter. Eng wird es, wenn Klassenfahrten anstehen. Zwar gibt die Schule einen Zuschuss. Aber der Junge, sagt seine Mutter, brauche auf der Reise doch auch noch eigenes Taschengeld. Das spart sie sich jetzt vom Munde ab. So wie auch das „Klamottengeld“ für ihren Sohn. Wenn gar nichts mehr geht, „dann hilft die Oma“.

Und was erhofft sich Marco? Dass seine Mutter Arbeit findet und er seine Kameraden nicht mehr anlügen muss. „Hartz IV“, sagt er, „das ist doch die Pest.“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

* Name geändert