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Archiv-Artikel

Proteste vor Malaysias Botschaft

FLUG MH370 Chinesische Angehörige der Passagiere des verschollenen malaysischen Flugzeugs geben Malaysias Behörden eine Mitschuld und demonstrieren in Peking

„Papa, wir warten mit dem Abendessen – auch weiterhin“

SCHILD EINES VIERJÄHRIGEN JUNGEN

AUS PEKING FELIX LEE

Ergreifende Szenen spielen sich am Dienstagvormittag im Pekinger Diplomatenviertel ab: Mehrere Dutzend Angehörige von Passagieren des verschollenen malaysischen Flugs MH370 ziehen zur Botschaft Malaysias, um der ums Leben gekommenen Insassen zu gedenken. Dort mischt sich die Trauer mit Wut und Verzweiflung.

„Ich kann nicht mehr leben“, schluchzt eine Frau am Eingang tränenüberströmt. Neben ihr bricht ein älterer Mann weinend zusammen. Er habe seinen einzigen Sohn verloren samt Schwiegertochter und Enkel, berichtet sein Betreuer. Eine junge Mutter steht mit ihrem vierjährigen Sohn am Straßenrand, der ein Schild in der Hand hält: „Papa, wir warten mit dem Abendessen – auch weiterhin“.

17 Tage haben mehr als 200 Angehörige der Unglücksmaschine in einem Hotel in der Nähe des Pekinger Flughafens ausgeharrt, um gemeinsam von dort aus die Ermittlungen mitzuverfolgen. Die Wochen der Ungewissheit zehren stark an den Nerven. Als am späten Montagabend Malaysias Ministerpräsident Najib Razak in Kuala Lumpur offiziell den Absturz der Boeing 777 und den Tod aller Passagiere verkündet, kommt es schon zu Tumulten.

„Mörder, Mörder“, schreit eine Frau, bevor sie zusammenbricht. Andere werfen Stühle um und werden handgreiflich gegen aufdringliche Kamerateams, welche die Betroffenen seit Tagen belagern und diese Szenen festhalten wollen. Eine halbe Stunde vor der Ansprache des malaysischen Premiers haben alle Angehörigen bereits eine Kurznachricht erhalten: „Malaysia Airlines bedauert es zutiefst, dass wir jenseits aller begründeten Zweifel annehmen müssen, dass MH370 verloren ist und dass niemand an Bord überlebt hat.“

In seiner Ansprache, die in dem Hotel live übertragen wird, verweist Razak darauf, dass die letzte registrierte Position der Maschine weit entfernt von jeglicher Landemöglichkeit gewesen sei. Das ließe nur eine Schlussfolgerung zu: dass der Flug im Meer endete. Razak äußert sein tiefstes Bedauern und spricht den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Malaysias Regierung war durch die Auswertung neuer Satellitendaten der britischen Firma Inmarsat zu diesem Schluss gekommen.

Der Frust vor allem der chinesischen Angehörigen hatte sich in den vergangenen zwei Wochen zunehmend gegen Malaysia Airlines und die Behörden des südostasiatischen Staates gerichtet. Von den insgesamt 239 Insassen der Unglücksmaschine kamen 154 aus China. Wie die Angehörigen kritisierte auch die chinesische Regierung mehrfach Malaysias Katastrophenmanagement.

Mit der nun erfolgten Verkündung wiegen für einige der Angehörigen die Vorwürfe umso schwerer. In einer Erklärung werfen sie Malaysia Airlines und Malaysias Behörden erneut vor, sie hätten mehrfach die Rettungsaktion in die Irre geführt. Wertvolle Zeit sei so verschenkt worden. „Wenn unsere 154 Familienmitglieder an Bord deshalb ihr Leben verloren haben, dann sind die malaysische Fluggesellschaft, Regierung und das Militär die wahren Mörder.“ Dass Malaysias Premier nun offiziell den Absturz verkünde, sei nur ein Vorwand, die aufwändige Suche zu beenden.

Malaysias Regierung bestreitet das. Die Suche sei am Dienstag nur wegen schlechten Wetters unterbrochen worden. Aber auch Chinas Regierung schenkt dem nur wenig Vertrauen. Präsident Xi Jinping, der derzeit durch Europa reist, fordert von Malaysia, sämtliche Informationen herauszugeben, die zu dem möglichen Absturz geführt haben. In chinesischen Medien reagieren Experten mit Skepsis auf die malaysischen Schlüsse. Ohne Trümmer gebe es keine klaren Beweise, heißt es etwa im offiziellen China Daily.