: Integration noch nicht ganz koscher
Im NRW-Integrationsbeirat sollen außer den Muslimen auch die Juden vertreten werden. Das einzige jüdische Mitglied im Beirat kritisiert, Zuwanderern mangele es an Sprachkursen. Schulabschlüsse werden oft nicht anerkannt
DÜSSELDORF taz ■ Geht es um die Eingliederung von MigrantInnen in Deutschland, stehen Muslime meist im Vordergrund der Diskussion. So auch im neuen Integrationsbeirat der Landesregierung, der vergangene Woche vorgestellt wurde: Ein Großteil der 27 Mitglieder beschäftigt sich beruflich mit dem Islam, etwa Faruk Sen, Direktor des Zentrums für Türkeistudien, oder Islamwissenschaftler Bekir Alboga. Eine Ausnahme bildet Abraham Lehrer. Der Vorsitzende der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland ist das einzige jüdische Mitglied. Die von ihm vertretenen Gemeinden haben nach wie vor mit Integrationshürden zu kämpfen: „Auch bei den Juden ist die Sprache das erste Problem“, sagt Lehrer.
Lehrer findet es „absolut sinnvoll“, dass die Juden einen Sprecher im Beirat haben. Die 19 jüdischen Gemeinden in NRW besuchen meist Zuwanderer aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion, vor allem aus Russland, Weißrussland oder der Ukraine. Sie hätten ähnliche Probleme sich zu integrieren wie zugewanderte Muslime, so Lehrer. Hürden seien etwa geringe Sprachkenntnisse oder der Wechsel aus kirchlich geprägten Staaten in Länder, wo Politik und Religion getrennt sind.
Damit waren in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Juden konfrontiert. Seit den 70er Jahren wuchsen deren Gemeinden in NRW durch Zuwanderung von 3.000 auf rund 30.000 Gläubige im Jahr 2005, so das Duisburger Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte. „Die jüdischen Gemeinden haben viel für die Integration der Zuwanderer getan“, sagt Lehrer. NRW sei etwa durch seine zahlreichen Kulturvereine ein Vorreiter für die Integration jüdischer MigrantInnen, auch wenn es noch viel nachzuholen gebe.
Das betreffe vor allem die älteren Zuwanderer, sagt Norbert Reichling, Leiter des Jüdischen Museums Westfalen: „Bei der ersten Zuwanderer-Generation hat die Eingliederung nicht geklappt. Von denen hat nur eine Minderheit einen Arbeitsplatz in Deutschland gefunden.“ Reichling warnt daher: „Hier besteht die Gefahr einer Subkultur. Es sollte mehr Austausch stattfinden zwischen den älteren Zuwanderern und Deutschen.“ Die jüdischen Kinder fänden sich hingegen gut zurecht.
Ein besonderes Integrationshemmnis für Juden aus den so genannten GUS-Staaten liege im Bildungssystem, sagt Olga Dick, Sozialarbeiterin der jüdischen Gemeinde Bochum. Zwar seien 75 Prozent der Zuwanderer AkademikerInnen. Deren Diplome würden aber oft nicht anerkannt, so Dick. „Diese Menschen verlieren ihren sozialen Status.“ In den GUS-Staaten müssten die Kinder meist nur elf statt 13 Jahre zur Schule gehen, um sich für ein Studium zu qualifizieren. „Das Abitur wird hier oft nur als Hauptschulabschluss bewertet“, beklagt die Sozialarbeiterin.
Die Beteiligung der Juden im NRW-Integrationsbeirat wird daher allgemein gelobt: „Wenn einer über die Integrationsprobleme solcher Zuwanderer Bescheid weiß, sind das die jüdischen Gemeinden“, so Dick. Esra Cohn, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands der jüdischen Gemeinden Nordrhein, verspricht sich von dem Gremium vor allem mehr Sprachkurse für Zuwanderer. Cohn weist aber auch auf die Grenzen des Beirats hin: „Die gesellschaftliche Integration müssen wir in den Gemeinden machen.“ Die könnten ihren Mitgliedern etwa helfen, eine Arbeit zu finden und Kontakte zu Behörden knüpfen. Nur wenn sich die MigrantInnen sicher in Deutschland fühlten, könne ein besserer Austausch zwischen den Juden und der christlichen Mehrheitsgesellschaft stattfinden. MORITZ SCHRÖDER