: Lichterfelder Leitwolf
Der Lichterfelder FC gehört zu den Berliner Überraschungsteams dieser Saison. Vater des Erfolgs in der Fußball-Oberliga ist Trainer Michael Wolf, der mit kessen Sprüchen und einer offensiven Spielweise die Richtung vorgibt
Das Stadion Lichterfelde ist Wolfs Revier. Michael Wolf hat es am Ostpreußendamm geschafft, mit dem Neuling Lichterfelder FC Duftmarken zu setzen in der Oberliga: Die Südberliner haben schon manchem Gegner das Fell über die Ohren gezogen. Bevor sich der 32-Jährige mit seinem Nobody-Team in der oberen Tabellenregion einnistete, schreckte er nicht vor kessen Sprüchen zurück, die viele Kollegen kaum in den Mund genommen hätten – aus Angst, die eigene Mannschaft zu sehr unter Druck zu setzen. So antwortete Wolf auf die Frage, ob er mit dem LFC in die nächsthöhere Regionalliga „durchmarschieren“ wolle, ohne Abwehrfilter: „Entweder nimmt man den Zug nach oben mit, oder man streckt die Waffen. Die dritte und schlechteste Möglichkeit von allen wäre, sich nicht rechtzeitig zu positionieren und sich nur treiben zu lassen.“
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, versprach Lichterfeldes Trainer allen Fans, die das Spitzenspiel gegen Babelsberg besuchen würden, das Eintrittsgeld im Falle des Aufstiegs aus eigener Tasche nachträglich zu erstatten. Und auch wenn die Partie mit 1:3 verloren ging, gilt Wolf als einer der Gewinner in der neuen Saison. Sein praktiziertes Spielsystem mit taktischen Variationen und erfrischendem Offensivdrang beeindruckt. „Meine Jungs sollen Spaß haben bei der Arbeit, sie sollen sich wohlfühlen“, doziert der LFC-Coach in Klinsmann-Manier.
Dass Wolf mit jungen Spielern umzugehen weiß, hat er im Nachwuchsbereich bei Profiklubs bewiesen: Mit dem Hertha-Nachwuchs wurde er im Jahr 2000 Deutscher Juniorenmeister; er führte Talente wie Kevin Boateng, Malik Fathi, Sofian Chahed oder Christian Müller an den Berliner Profikader heran. Danach fungierte der Verwaltungsbeamte als Nachwuchsbetreuer beim Hamburger SV.
Am Ostpreußendamm setzt Wolf auf einen Talentschuppen um den Exherthaner Carsten Gebell. Der 32-jährige „Kindergarten-Cop“ ist Wolfs Leitwolf auf dem Rasen. Viele seiner Mitspieler betraten in der Oberliga Neuland. „Nicht jeder sagt: Mit 1,62 Metern bist du mein Mann“, lobt der wuselige LFC-Spielermacher Gökhan Senol (23) das Vertrauen seines Trainers.
Sogar international haben die „Wölflinge“ schon auf sich auf merksam gemacht: Die Senkaya-Brüder Ilter (24) und Ilkan (21) stehen unter Beobachtung von Besiktaș Istanbul. Lars Vilsvik (17), Spross deutsch-norwegischer Eltern, absolvierte ein Probetraining beim früheren Champions-League-Starter Rosenborg Trondheim in Norwegen. Weil der Schlaks mit auffallend spargeligen Oberschenkeln über den Platz spurtet, verordnete ihm der Trainer ein Kraftprogramm.
„Es ist doch schön, wenn unsere Jungs die Chance bekommen, sich im Ausland zu präsentieren“, sagt Wolf, der Spielern nicht von einem Wechsel ins Ausland abraten würde. „Das wäre doch eine einmalige Chance für sie, sich sportlich und persönlich weiterzuentwickeln, und eine Auszeichnung für den Verein.“
Doch als Berliner scheinen ihm die Spitzenklubs in der Heimat näher zu sein. „Bevor ein Talent die Stadt verlässt, sollte man sehen, ob es nicht bei Hertha oder Union besser aufgehoben wäre“, sagte Lichterfeldes Trainer. Wegen Vilsvik hat Wolf deshalb mit Herthas U-23-Coach Karsten Heine telefoniert, der den Spieler jetzt unter die Lupe nehmen wird. UWE EBENHÖH