: Versicherungen müssen Infos rausrücken
Mit einem neuen Versicherungsvertragsgesetz will Bundesjustizministerin Zypries die Rechte der Verbraucher stärken
BERLIN taz ■ Das Versicherungsgeschäft in Deutschland gleicht bislang einem Dschungel, in dem die Verbraucher in einem Dickicht von Klauseln und Bestimmungen alleingelassen werden. Im Schnitt besitzt jeder Bundesbürger sechs Policen – allerdings sind es oft die falschen oder zu teure. Mit einem neuem Gesetz will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) das ändern. Heute stellt sie den Entwurf zum neuen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) im Kabinett vor. „Wir wollen die Verbraucher besserstellen, auch finanziell“, sagte die Ministerin gestern in Berlin. Nach den Plänen der Regierung soll das Gesetz im Sommer nächsten Jahres verabschiedet werden und im Januar 2008 in Kraft treten. Der Bundesrat muss nicht zustimmen.
Wesentlicher Punkt des neuen VVG ist, dass der Kunde in Zukunft vor dem eigentlichen Abschluss schriftlich über alle Bedingungen des Vertrages informiert werden muss. Dabei soll es eine ausführliche und zusätzlich eine besonders transparente kurze Version der Vertragsbestimmungen geben – es sei denn, der Vertragsnehmer verzichtet darauf. Bisher wurden die vollständigen Unterlagen erst nach der Unterschrift geliefert.
Richard Sommer, Versicherungsexperte der Gewerkschaft Ver.di, plädiert bei der kurzen Version für ein Blatt Papier mit den wesentlichen Punkten: „Ob sich auch ohne staatliche Vorgaben eine einheitliche und vergleichbare Version herauskristallisiert, wird sich zeigen.“
Weiterhin wird im neuen VVG das Alles-oder-nichts-Prinzip fallen gelassen. Das bedeutet, dass Versicherte auch dann Anspruch auf zumindest einen Teil der Versicherungssumme haben, wenn sie fahrlässig gehandelt haben. Wie groß dieser ist, hängt vom Grad des Verschuldens ab. Vergisst der Inhaber einer Hausratsversicherung beispielsweise, seiner Versicherung mitzuteilen, dass ein Gerüst an seinem Haus angebracht wurde, handelt er fahrlässig. Denn das erhöht die Diebstahlgefahr. Wurde dann bei ihm eingebrochen, bekam er bisher keinen Cent ausgezahlt. Künftig erhält er trotzdem einen Teil der versicherten Summe.
Ein Großteil der Neuerungen betrifft Lebensversicherungen. Kunden, die ihre Police vorzeitig auflösen, bekommen nach geltendem Recht kaum mehr als ihr eigenes Erspartes zurück. Ab 2008 erhalten sie nun zusätzlich die Hälfte des Gewinns, der mit dem angelegten Geld erwirtschaftet wurde. Das stelle nicht nur die Versicherten finanziell besser, sondern sorge für mehr Wettbewerb unter den Versicherungen, sagte Zypries.
Auch Eltern werden gestärkt. ArbeitnehmerInnen sollen künftig eine vom Arbeitgeber abgeschlossene Lebensversicherung, die während der Elternzeit ruht, innerhalb von drei Monaten nach Ende der Auszeit wieder aufnehmen können. Und zwar zu dem bisherigen Tarif und ohne eine erneute Gesundheitsprüfung.
Der neue Gesetzentwurf sei insgesamt sinnvoll und löse ein längst veraltetes Gesetz ab, sagte Versicherungsexperte Sommer. Ob sich der Versicherungsdschungel nun allerdings tatsächlich lichtet, werde sich erst in der Zeit nach 2008 zeigen.
MAIKE BRZOSKA