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Archiv-Artikel

„Dickschädel“ – für Stoiber ein Ehrentitel

Edmund Stoiber versucht auf dem CSU-Parteitag alles, um die Seinen zu begeistern. Er greift Beck und Bush an. Und kaum ist die Besucherin Merkel wieder weg, betont Stoiber, er kämpfe vor allem für Bayerns Interessen. Der Beifall fällt dennoch lau aus

AUS AUGSBURG MAX HÄGLER

Wer bei der CSU die Temperatur messen will, dem bietet sich neben Umfragen ein schnöder Test an: Wie sehr bringt der Chef die Seinen noch zum Fiebern? Beim Parteitag in Augsburg am Wochenende war die Temperatur: kühl. Da half es auch nichts, dass Edmund Stoiber tief in die Bierzeltkiste griff und scharfe Attacken vortrug: gegen SPD-Chef Kurt Beck, gegen Minarette in deutschen Städten und gegen George Bush, weil der den EU-Beitritt der Türkei gefordert hat.

Vier Minuten Beifall gab es dafür. Höflich, aber distanziert, ohne „Edmund“-Rufe. Die CSU hat schon ganz anderes erlebt, gerade wenn Hochstimmungsthemen zur Sprache kamen. Aber das war früher. Heute ist Stoiber Herrscher der Bayern – aber nicht mehr der christsozialen Herzen. Die Frage ist, wann er die ganze Macht abgeben muss. Für Stoiber ist klar, dass er in 23 Monaten erneut als Ministerpräsident bestätigt wird, aber noch gibt es bei Wählern und Parteivolk viele Zweifler, ungewöhnlich viele für Stoiber und die CSU.

57 Prozent der Bayern sprachen sich in einer Umfrage gegen eine Kandidatur Stoibers 2008 aus, selbst bei CSU-Anhängern ein Drittel. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. Beim Parteitag und im Landtag hört man zwar selten Umstürzlerisches, aber genauso selten Euphorisches: Zusammenarbeit: ja, heißt die Devise – weil es eh keinen anderen gibt gerade. Liebe: nein, weil Fremdgeherei nach Berlin und der missglückte Rückzieher nicht vergessen werden und große Emotionen systembedingt irgendwann am Ende sind.

„Wir können mit ihm leben“, meint der Delegierte Andreas Gruber aus Cham. „Eine Alternative ist nicht zu sehen“, sagt Ilse Preisinger-Sontag aus Mühldorf. Die einstigen Kronprinzen Günther Beckstein und Erwin Huber gelten seit ihrem vergeblichen Anlauf im Vorjahr als verbraucht, zu alt für einen Neuanfang. Andere, wie Fraktionschef Joachim Hermann: zu unbekannt, zu jung. Also darf der Alte weitermachen, eher notgedrungen. „Die Begeisterung früherer Jahre ist sicher verschwunden“, kommentiert Manfred Weber, Chef der Jungen Union Bayern, die Stoiber-Stimmung in der Partei gegenüber der taz. Er fühle sich zwar ernst genommen von Stoiber, sagt Weber, „aber es kommt auf das Praktische an“. Auch so ein Satz, den man mittlerweile oft hört in der CSU. Die Temperatur könnte schon noch weiter runtergehen, lässt sich das übersetzen. Wenn Stoiber etwa wieder in ministerpräsidentiellen Autismus zurückfällt.

Mit der schlechten Stimmung im Bund erklärt die CSU-Spitze die schlechten Umfragen. In Augsburg versuchte Stoiber mit Watschn für den Koalitionspartner zu punkten: „Beck sollte einmal seine Hausaufgaben machen“, pfiff er den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und SPD-Chef an. Schließlich habe der ein kleineres Bundesland und trotzdem mehr Schulden als Bayern. Von so jemand lasse sich die Union nichts sagen. In puncto EU-Beitritt der Türkei, den Stoiber ablehnt, habe wiederum George Bush nichts mitzureden. „Erst mal soll der Nicaragua zu den USA holen, dann können wir drüber reden.“

Zwischen den Angriffen: Trotzigkeit. „Edmund, der Dickschädel, das ist für mich eine Ehrenauszeichnung“, sagte Stoiber zum Streit um die Gesundheitsreform. Schließlich habe er dabei bayerische Interessen vertreten. „Genau das ist meine Pflicht, und wenn man mich dreimal als Dickschädel bezeichnet!“ Egal, dass er der Parteitagsbesucherin Angela Merkel am Freitag noch Unterstützung versprochen und Geschlossenheit in der Union verlangt hatte. Nun trichterte Stoiber den Delegierten ein, was die CSU nie vergessen dürfe: „Gewählt werden wir nur in Bayern.“