: 2.000 müssen gehen
AUS KAMP-LINTFORT A. FLORIÉ UND M. TEIGELER
Die BenQ-Beschäftigten bekommen blaue Briefe. Insolvenzverwalter Martin Prager teilt den 3.000 Mitarbeitern der taiwanischen Handyfirma heute schriftlich mit, ob sie weiter zur Arbeit gehen dürfen. 2.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden ab kommenden Montag nicht mehr gebraucht und werden in „Qualifizierungsmaßnahmen“ abgeschoben.
Einen Monat nach der Insolvenz der früheren Siemens-Handysparte soll die Produktion mit nur noch 1.000 Beschäftigten weitergehen. „Nach drei Wochen intensiver Prüfung ist klar, dass dies die einzige Chance ist, das Unternehmen als Ganzes zu erhalten“, sagte Prager gestern in München auf einer Mitarbeiterversammlung.
Seit der Übernahme der Siemens-Handysparte vor einem Jahr habe BenQ Mobile einen Verlust von 850 Millionen Euro gemacht, so Prager. Bis Anfang 2007 will der Insolvenzverwalter den Handy-Hersteller mit einem neuen Geschäftsmodell sanieren, um Investoren zur Rettung des Unternehmens zu finden. Bis dahin gelten die Arbeitsverträge der 3.000 Beschäftigten, die allesamt Insolvenzgeld vom Arbeitsamt kassieren sollen. „Das ist keine Freistellung, alle Kolleginnen und Kollegen sind weiter Bestandteil von BenQ Mobile“, sagte Betriebsrat Josef-Michael Leucker zur taz.
Per Live-Video aus München erfuhren die Beschäftigten am nordrhein-westfälischen Produktionsstandort Kamp-Lintfort von ihrem Schicksal. Etliche enttäuschte Mitarbeiter verließen vorzeitig die Videoübertragung in der Betriebshalle. Sie versammelten sich zu einer spontanen Demonstration vor dem Werkstor.
1.100 von 1.600 Stellen sollen in Kamp-Lintfort am Niederrhein wegfallen – deutlich mehr als befürchtet. „Das hat uns erschlagen und trifft uns in dieser Härte völlig unerwartet“, sagte Betriebsrätin Heike Deppner.
Kamp-Lintforts SPD-Bürgermeister Christoph Landscheidt rechnet mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit in der 40.000-Einwohner-Stadt. BenQ ist bislang das zweitgrößte Unternehmen am Ort – der größte Arbeitgeber, das Steinkohle-Bergwerk West, soll ebenfalls in den nächsten Jahren dichtmachen.
Im münsterländischen Bocholt seien 55 von 300 Mitarbeitern betroffen, so der örtliche IG-Metall-Chef Heinz Cholewa gestern zur taz. Zudem werden wohl 850 der rund 1.300 Jobs in der Münchner BenQ-Zentrale abgebaut.
In einer gemeinsamen Stellungnahme versprachen Bayerns CSU-Sozialministerin Christa Stewens und NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) den Beschäftigten Unterstützung. „Wir werden den BenQ-Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze akut gefährdet sind, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen“, teilten die Politiker mit. Ziel sei es, den Mitarbeitern durch eine „gezielte Weiterqualifikation und ein individuelles Profiling neue Perspektiven und Chancen zu eröffnen“.
Bayern und NRW wollen notfalls die Hälfte der anfallenden Kosten übernehmen. Heute werden Landespolitiker aus Düsseldorf und München bei einem Spitzentreffen über weitere Hilfsangebote der Politik beraten.
Die IG Metall forderte vom Ex-Mutterkonzern Siemens ein 200-Millionen-Euro-Nothilfeprogramm für die BenQ-Beschäftigten. Siemens stehe in der Verantwortung für seine frühere Handy-Sparte, sagte IG-Metall-Vizechef Berthold Huber. „Es muss Schluss sein damit, dass unternehmerische Verantwortung beim Abkassieren höchster Gewinnmargen endet“, so Bayerns IG-Metall-Bezirksleiter Werner Neugebauer.
Ein Siemens-Sprecher wies die Kritik zurück: „Wir sind bislang die Einzigen, die einen substanziellen Beitrag als Hilfe für die betroffenen BenQ-Mitarbeiter geleistet haben, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein.“