: 800 Euro für jeden? CDUler findet’s gut
Das solidarische Bürgergeld von Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus würde nicht teurer als das heutige Sozialsystem. Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU legt Berechnung vor. CDU-Grundsatzkommission bekundet Interesse – und stellt Fragen
VON HANNES KOCH
800 Euro monatlich vom Staat für alle – egal, ob man arbeitet oder nicht. Diese Sozialreform – die größte seit Bismarck – wäre realistisch, erklärt die christdemokratische Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). „Das Konzept ist finanzierbar“, sagte KAS-Vorstand Bernhard Vogel der taz. Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens fanden sich bislang bei Grünen, FDP und Linkspartei.
Dieter Althaus (CDU), Nachfolger Vogels als Ministerpräsident von Thüringen, propagiert das sogenannte solidarische Bürgergeld. Dieses bedingungslose Grundeinkommen in Höhe von 800 Euro würden alle Bundesbürger erhalten, die insgesamt weniger als 1.600 Euro monatlich verdienen. Beschäftigte mit höherem Verdienst sollen 400 Euro, Kinder pro Kopf 500 Euro bekommen. Althaus will dadurch unter anderem das Hartz-IV-System ersetzen, das er „nicht für zukunftsfähig“ hält.
Die Wissenschaftler Michael Opielka (Fachhochschule Jena) und Wolfgang Strengmann-Kuhn (Uni Frankfurt am Main) haben die Untersuchung durchgeführt. Nach Informationen der taz kommen sie zu dem Ergebnis, dass das Grundeinkommen im Vergleich zu den heutigen Kosten des Sozialsystems nicht teurer wäre. Gegenwärtig beträgt das Sozialbudget rund 735 Milliarden Euro pro Jahr – etwa 35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach den Berechnungen der KAS würde das Grundeinkommen 597 Milliarden Euro kosten, in denen 197 Milliarden für die Gesundheitsversorgung enthalten sind. Hinzu kämen Rentenkosten von 140 Milliarden Euro.
Das Grundeinkommen würde an die Stelle der meisten steuer- und beitragsfinanzierten Sozialleistungen treten. Althaus will Arbeitslosengeld I und II, Sozialhilfe, Rente, Krankenversicherung, Pflege und Kindergeld einbeziehen. Mini-, Midi- und 1-Euro-Jobs gäbe es dann nicht mehr. Klingt interessant, hat aber auch Haken. Zum Beispiel die für alle gleiche Gesundheitspauschale von 200 Euro, die Geringverdiener benachteiligt. Problematisch erscheint auch die einheitliche Einkommenssteuer (Flat-Rate) von 25 Prozent, die alle Beschäftigten mit über 1.600 Euro Einkommen pro Monat zahlen sollen. Auch hier gibt es keine soziale Differenzierung, wenngleich die Adenauerstiftung einen Stufentarif für erwägenswert hält. Als zusätzliche Finanzierungsquelle will Althaus eine Lohnsummensteuer einführen, die die bisherigen Sozialbeiträge ersetzen soll. Schönheitsfehler: Die Firmen werden aus der Finanzierung des Sozialsystems entlassen.
Bei der Sitzung der CDU-Grundsatzprogramm-Kommission am vergangenen Montag stellte Althaus sein Konzept erstmals innerhalb der Partei vor. Nach Angaben von Teilnehmern fand er dabei eher Zustimmung, als Ablehnung. „Es gibt gute Argumente dafür“, sagte Europa-Abgeordneter Elmar Brok. „Ein sehr interessanter Vorschlag“, meinte Fritz Hähle, CDU-Fraktionschef in Sachsen. Wobei viele Unionspolitiker auch viele Fragen haben. Elmar Brok zum Beispiel diese: „Wie wirkt sich das Bürgergeld auf die Leistungsbereitschaft der Bürger aus?“ Generalsekretär Ronald Pofalla, der die Idee skeptisch betrachtet, will Ende des Jahres ein Symposium abhalten lassen, um für Klärung zu sorgen.
Viele Sozialdemokraten und Gewerkschafter stehen dem Konzept ablehnend gegenüber. Albrecht Müller, Mitstreiter von SPD-Kanzler Willy Brandt und Herausgeber der Nachdenkseiten im Internet, wirft Althaus vor, „Frieden mit der Arbeitslosigkeit gemacht“ zu haben und die Erwerbslosen ihrem Schicksal zu überlassen.