ABSCHLUSSPROBLEME
: Vielleicht will sie nicht

Ich bin laut geworden, die Mädchen vom Nebentisch gucken schon

„Aber dann habt ihr euch geküsst?“ Immer wenn Tom mir von seinem Liebesleben erzählt, krieg ich Kopfschmerzen, weil ich mir vor Verzweiflung so oft mit der flachen Hand gegen die Stirn schlage. So wie jetzt: „Nein“, sagt er, „dann haben wir erst mal geredet.“ Tom ist ein attraktiver Mann, Ende zwanzig, intelligent, witzig, gebildet. Er schreibt an seiner Doktorarbeit. Tanzen kann er auch. Aber das mit den Frauen …

„Lass mich das noch mal zusammenfassen“, sage ich. „Die Frau, auf die du total scharf bist, ist zu dir nach Hause gekommen, nachmittags mit Kuchen, gegen acht seid ihr zu Wein übergegangen, gegen zwölf hat sie gesagt, dass sie keine Lust mehr hat, nach Hause zu fahren und …“, ich hole tief Luft, „… dann habt ihr nur geredet?!“ Ich bin laut geworden, die Mädchen vom Nebentisch gucken schon rüber und grinsen. „Woher soll ich denn wissen, dass sie die Richtige ist?“, flüstert Tom eingeschüchtert.

Ich gucke ihn an wie ein Goldfisch, der aus dem Glas gefallen ist. „Na, indem du es ausprobierst, vielleicht?!“ „Ja, aber vielleicht will sie ja gar nicht“, mault er. Ich kriege langsam ernsthaft Atemnot. „Soll ich dir mal eine runterhauen, damit du zur Besinnung kommst?“, schlage ich vor. „Was soll sie denn noch machen, um dir zu zeigen, dass sie will, zum Donnerwetter?“ Ich muss hinzufügen, dass das keineswegs Toms erstes Treffen mit der Dame seines Herzens war. Das geht jetzt schon Monate so.

„Tom“, sage ich mit letzter Kraft, „wie wär’s, wenn du einfach mal zu ihr hingehst, ohne viele Worte. Du nimmst ihre Hand in deine, schaust ihr in die Augen, streichst ihr über die Wange, und dann küsst du sie. Das kann doch nicht so schwer sein!“ Tom denkt nach und rührt in seinem Getränk. „Vielleicht sollte ich ihr noch mal eine E-Mail schreiben und ihr alles erklären?“, sagt er. Ich glaub, jetzt hab ich eine Beule auf der Stirn.

LEA STREISAND