PESTIZIDE : Das schlimmste Obst
Man soll immer ganz viel regionale Produkte kaufen. Alles, was aus der Nähe kommt, aus dem direkten Umland. Mein direktes Umland ist der türkische Gemüsehändler unten bei uns im Haus. Der hat alles, nur ein bisschen zu wenig Biersorten. Freitagabend, endlich Wochenende, ich will nur kurz noch was zum Kochen kaufen. Auberginen, Champignons, Möhren, vielleicht noch Obst.
Eine Mutter mit Kleinkind steht neben mir. Das Kind haut auf die Früchte. „Mama, kaufen wir Banaaaanen?“ – „Nein, Schatz, die sind nicht bio. Wir kaufen nur bio. Hier sind nur die Äpfel bio, die können wir nehmen.“ Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich helle oder dunkle Trauben nehmen soll und stecke mir eine dunkle in den Mund. Das Kind schaut zu. Es ist neidisch. „Mama, können wir die auch probieren?“ – „Nein, Schatz, die sind nicht bio. Weintrauben, die nicht bio sind, sind wirklich die allerschlimmste Obstsorte. Man wird krank, wenn man die isst.“ Sie sagt das sehr laut. Ich schaue die Frau an. Sie ist ungefähr gleich alt wie ich. Aber sie hat ungefähr zehnmal härtere Grundsätze. So etwas macht mich aggressiv. Das arme Kind.
„Ja,“ sagt sie jetzt zu mir und schaut mir ganz tief und ernst in die Augen, „auf Weintrauben sind so unglaublich viele Pestizide drauf. Alles voll. Mehr als auf anderen Obstsorten.“ Danke, Frau Lehrerin. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber gucke so trotzig wie ich kann und lege mindestens ein Kilo Trauben in meinen Korb. „Guten Appetit,“ sagt sie mit Mitleid und Verachtung. Das Kind guckt dumm. „Mama, warum darf die Frau das essen und wir nicht?“
Ja, warum wohl? Weil sie nicht so ideologisch verblendet ist wie deine neurotische Mutter. Und weil sie sich just in diesem Augenblick vorgenommen hat, die Kinder, die sie irgendwann mal haben wird, alles essen zu lassen, worauf sie Lust haben.
MARGARETE STOKOWSKI