Ungerechtigkeit mit System : Kommentar von Ulrike Herrmann
Schade, dass Bundesminister und Bundestagsabgeordnete nicht angeben müssen, wie viele Aktien und Fonds sie besitzen. Es wäre doch interessant, zu wissen, welche Politiker zu den Profiteuren gehören, wenn sie die Reform der Körperschaftsteuer beschließen.
Um 5 Milliarden Euro sollen Aktiengesellschaften und GmbHs entlastet werden: Das ist der harte Kern der Unternehmensteuerreform. Reiche Konzerne werden noch ein bisschen reicher. Aber was soll das bringen? Die Firmen brauchen diese staatliche Finanzspritze nicht. Den Großbetrieben geht es bestens; seit dem Boomjahr 2000 haben sich die Gewinne im Durchschnitt verdoppelt.
Doppelte Gewinne, obwohl sich die globale Wirtschaftsleistung bekanntlich nicht verdoppelt hat? Dieses seltsame Phänomen bedeutet nichts anderes, als dass die Arbeitnehmer enteignet wurden. Ihre Löhne stagnierten – oder sie entwickelten sich gar zurück, obwohl es den Betrieben blendend ging. Es hat eine gigantische Umverteilung zwischen Kapital und Arbeit stattgefunden.
Offiziell gilt in Deutschland immer noch, dass die Bevölkerung nach ihrer Leistungskraft besteuert werden soll. Doch faktisch passiert das Gegenteil: Betriebe, Vermögende und Spitzenverdiener werden entlastet, obwohl sie ihre Einnahmen ständig steigern können. Stattdessen werden die Arbeitnehmer herangezogen, deren Löhne sowieso tendenziell sinken. Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer ist ein typisches Beispiel dafür. Angeblich soll diese Ungerechtigkeit gerecht sein: Die Regierung etwa wirbt mit der Idee, dass höhere Gewinne die Konjunktur beleben. Diese Gleichung ist jedoch schon bei den letzten großen Reformen nicht aufgegangen – trotz der Steuergeschenke stagnierte die Volkswirtschaft.
Aber selbst wenn die Wirtschaft boomt: Wen soll das noch interessieren in einer Welt, in der alle Zuwächse nur noch an die Kapitaleigner gehen? Bisher konnten sich Politiker sicher fühlen, wenn sie nur für eine gute Konjunktur sorgten. „It’s the economy, stupid!“ heißt immer noch der einschlägige Slogan. Nicht unwahrscheinlich, dass er demnächst umgedichtet wird: „It’s the equality, idiot!“