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Archiv-Artikel

„Sonnenstrom wird günstiger“

ENERGIE Die Solarenergie werde den Strom nicht weiter stark verteuern, sagt Günther Cramer, Präsident des Solar-Verbandes. Für die Schäden von Kohlestrom zahlten alle

Günther Cramer

■ 57, ist Miteigentümer der Solarfirma SMA in Niestetal bei Kassel. Er leitet den Bundesverband Solarwirtschaft, die Lobby der Unternehmen.

INTERVIEW HANNES KOCH

taz: Herr Cramer, das Image der Solarenergie war schon mal besser. Die Branche muss sich vorwerfen lassen, Milliarden-Subventionen zu vereinnahmen, aber wenig Strom zu liefern.

Günther Cramer: Das wundert mich nicht. Wir sind eine Bedrohung für die Unternehmen, die mit konventioneller Energie viel Geld verdienen. Sie haben für die dezentrale Stromerzeugung aus Solarenergie noch kein funktionierendes Geschäftsmodell. Wir nehmen ihnen Marktanteile weg. Deshalb wehren sie sich mit allen Mitteln und auf allen Ebenen.

Auch die Verbraucherzentralen kritisieren Ihre Branche, weil die Kunden bald rund 60 Euro jährlich für Ökostrom zahlen müssen; die Umlage, die die saubere Energie finanziert, steigt. Ist die Solarenergie Geldverschwendung?

Das Gegenteil trifft zu. Dieses Land hat sich demokratisch darauf geeinigt, den Systemwechsel in der Energieversorgung zu schaffen – weg von gefährlichen, klimaschädlichen und begrenzten fossilen Quellen, hin zur umweltfreundlichen Erzeugung aus unbegrenzten erneuerbaren und dezentralen Energien. Das kostet. Aber damit erkaufen wir viele Vorteile: ein Energiesystem mit geringen Klimaschäden, relative Unabhängigkeit von Energieimporten, regionale Wertschöpfung in Deutschland und Gewinne durch den zunehmenden Export von Technologie. Das alles für maximal 4 Cent pro Kilowattstunde Strom – ein akzeptabler Preis.

Schon 2011 zahlt jeder Stromverbraucher 3,5 Cent Ökoumlage pro Kilowattstunde. Wie sollen da 4 Cent reichen, wenn der Anteil des Solarstroms weiter massiv zunimmt?

Alte Anlagen, die ihren Strom zu höheren Preisen ins Netz einspeisen, fallen in den kommenden Jahren aus der Förderung. Zweitens sinkt die Einspeisevergütung für moderne Fotovoltaik-Kraftwerke durch die gesetzlich vorgeschriebene Degression. Und drittens steigt der Preis der konventionellen Energie an. Das bedeutet: Der Preisnachteil der Solarenergie nimmt ab. Wir erwarten keine nennenswerte Erhöhung der Umlage mehr. Die Kosten für die Verbraucher werden kaum noch steigen.

Wenn Sie Ihr 4-Cent-Versprechen halten können, dann deshalb, weil Windenergie billiger ist als Fotovoltaik und den Durchschnittspreis der Ökoenergie drückt. Während nur 2 Prozent des deutschen Stromverbrauchs aus Solarzellen kommen, beträgt ihr Anteil an der Ökoumlage 25 Prozent. Ist dieses Missverhältnis hinnehmbar?

Elektrizität aus PV-Anlagen ist heute noch relativ teuer. Spätestens ab 2013 aber können Hausbesitzer ihren Solarstrom zum gleichen Preis erzeugen, den sie sonst an die Lieferanten konventioneller Energie zahlen müssten. Dann hat die im Gegensatz zur Windenergie sehr junge Branche einen wichtigen Schritt zur Wettbewerbsfähigkeit gemacht. Langfristig wird die Fotovoltaik eine tragende Säule der Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sein.

Kritik an Anbietern

■ Die Bundesnetzagentur kritisiert die Preiserhöhungen einiger Stromversorger zum Jahreswechsel. Es gebe Anbieter, die die Erhöhung der Umlage für erneuerbare Energien benutzten, um überzogene Preisforderungen zu stellen, sagt Präsident Matthias Kurth. Die von allen Kunden mit der Stromrechnung bezahlte, gesetzlich geregelte EEG-Umlage zur Förderung von Wind- und Sonnenenergie steigt wegen des Booms der erneuerbaren Energien zum Jahreswechsel auf gut 3,5 Cent je Kilowattstunde. Das würde den Strom im Schnitt um 7,5 Prozent verteuern. Einige Versorger heben den Preis stärker an. (dapd)

Millionen Mieter in Deutschland müssten aber weiter den teureren Solarstrom aus dem Netz inklusive der Ökoumlage bezahlen.

Unterschätzen Sie nicht den Anreiz, den die fallenden Produktionskosten ausüben. Auch Vermieter und Wohnungsbaugesellschaften sehen dann, dass die Solarenergie zunehmend konkurrenzfähiger wird. Das ist schon mal ein großer Fortschritt, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Zudem können sich Nicht-Eigenheimbesitzer an Solaranlagen finanziell beteiligen.

Wann werden Solaranlagen in Deutschland so günstig produzieren, dass sie konkurrenzfähig sind?

Das kann sehr schnell gehen. Unter der Voraussetzung, dass man den konventionellen Kraftwerken alle Nebenkosten zurechnet, die sie verursachen. Die Klimaschäden durch Öl- und Kohleverbrauch bezahlt heute die gesamte Gesellschaft. Da ist es kein Wunder, dass die Konzerne ihren Strom billig verkaufen können. Im Gegensatz dazu sind die Kosten für erneuerbare Energien transparent und ehrlich.