: Der Südwesten wird schwarz-grün
Ist Steglitz-Zehlendorf jetzt Avantgarde? Dort haben sich CDU und Grüne auf ihr erstes Bündnis in einem Bezirk geeinigt
Ausgerechnet im als konservativ geltenden Steglitz-Zehlendorf finden CDU und Grüne erstmals auf Bezirksebene zusammen. Die Kreisverbände beider Parteien einigten sich am späten Donnerstagabend mit jeweils großer Mehrheit auf eine Zählgemeinschaft in der neugewählten Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Damit löst Schwarz-Grün das bisherige Bündnis aus CDU und FDP ab.
Am 15. November wollen Christdemokraten und Grüne den bisherigen CDU-Fraktionschef Norbert Kopp zum Bezirksbürgermeister wählen. Der träte die Nachfolge seines umstrittenen Parteifreundes Herbert Weber an. Der heute 57-jährige Weber wollte 2005 in den Bundestag umziehen. Den krönenden Karriereabschluss verbaute er sich allerdings durch Äußerungen zu „Auschwitz als Erinnerungsreligion“ und zu Wehrmachtsdeserteuren, die in den meisten Fällen „etwas auf dem Kerbholz“ gehabt hätten.
Der designierte Bezirksbürgermeister setzt im schwarz-grünen Bündnis auf die Themen „Jugend, Schule, Soziales“. Kopp will unter anderem das Mediatorenprojekt in der Thermometersiedlung stärken, einer Hochhaussiedlung aus den 70ern am südlichen Stadtrand. „Die im Jahr 2005 von Einstellung bedrohten Streetworker-Projekte in Zehlendorf-Süd werden wir weiter fördern“, verspricht Kopp. 200.000 Euro will Schwarz-Grün in die Förderung von Energiesparmaßnahmen stecken.
Nach der BVV-Wahl am 17. September schien eher ein Bündnis von SPD, FDP und Grünen wahrscheinlich. Laut der grünen Fraktionschefin Irmgard Franke-Dressler scheiterte das jedoch am Ausstieg der FDP. „Rein rechnerisch ging das nicht mehr“, sagt Franke-Dressler. CDU und Grüne hätten aber allein „eine komfortable Mehrheit“. Gemeinsam besetzen die neuen Partner 31 der 55 BVV-Sitze. Die Entscheidung für die CDU sei den Grünen nicht leichtgefallen, so die Fraktionschefin – besonders nach den Äußerungen des noch amtierenden Bezirksbürgermeisters Weber. Aber: „Die CDU hat uns versichert, dass sie heute eine andere ist.“
Diesen Eindruck will der CDU-Landesvorsitzende Ingo Schmitt verstärken. Er setzt auf die Zählgemeinschaft in Steglitz-Zehlendorf als Vorbild für Schwarz-Gelb auf Landesebene. Das Bündnis könne „Perspektiven für ganz Berlin“ eröffnen.
MATTHIAS LOHRE