: Weiter vital
GALLERY WEEKEND BERLIN Feierte 10. Geburtstag
Auch das dürften sich viele der angereisten Sammler und Kunstvermittler am Sonntagmorgen nicht haben entgehen lassen: die von der Galerie Neugerriemschneider mitausgerichtete Deutschlandpremiere der Dokumentation „Ai Wei Wei. The Fake Case“ im Delphi Kino. Viele dürften den dänischen Regisseurs Andreas Johnsen, der seinen Film vorstellte, allerdings auch verpasst haben. Schuld daran hatte das große Dinner in der Eingangshalle des stillgelegten Flughafen Tempelhof mit anschließender Party.
Berlin feierte am Wochenende zum 10. Mal Gallery Weekend. Und das heißt Kunst bis zum Abwinken. 36 Ausstellungen an einem Tag, erzählte ganz begeistert ein Bekannter, da kann man dann gar nicht mehr aufhören mit dem Kunstschauen und randaliert, wenn nach 22 Uhr nichts mehr geht. Da muss man dann eben auf die Partys. Etwa von Contemporary Fine Arts (CFA) im Bi Nuu am Schlesischen Tor. CFA stellt Christian Rosa aus, der derzeit in Los Angeles großen, mit farbenfrohen Abstraktionen reüssiert. Wenn man Trends erkennen will: Einer ist sicher die Abstraktion und wie man sie heute noch einmal ganz neu durchdeklinieren kann. Mit einem Strich oder einem Rechteck auf der fast leeren Leinwand macht es David Ostrowski bei Peres Projects, mit plastisch hervortretenden Farbanhäufungen, die freilich auf Windelmull aufgetragen sind, Dominik Sittig bei Nagel und Draxler (die beim Gallery Weekeend nicht mehr dabei sind, aber natürlich wie alle Berliner Galerien an diesem Wochenende offen waren). Chris Martin bei KOW lässt die Abstraktion in bunten Pailletten schillern, während Robert Holyhead bei Max Hetzler in der Goethestraße auf radikale Leerstellen inmitten deutlicher Pinselstriche setzt.
Ein anderer Trend könnte die Wiederentdeckung älterer Künstler sein wie bei Arriata Beer, wo Eva Wilson Arbeiten von Friedrich Teepe (1929–2012) vorstellt: sogenannte unpraktische Gebilde, wie Teepe seine aus schwerem Baumwolldrill gefertigen Objekte nannte. Ähnlich Blain Southern, die mit dem 1914 geborenen Lynnn Chadwick einen inzwischen etwas vergessenen Bildhauerstar der Nachkriegszeit zeigen. Eine hervorragende Tat, denn seine Metallarbeiten, die zwischen abstrakt und figürlich anzusiedeln sind, faszinieren durch ihre konstruktive Form. Was besonders bei seinen kleine Objekten auffällt.
Kein Trend, aber mehrfach darauf gestoßen: Kunst mit politischer Aussage. Etwa Adam McEwen bei Capitain Petzel, der echte und illusionäre Machtverhältnisse über den Abdunklungsgrad der Fensterscheiben von Stretchlimousinen verhandelt. Oder Isaac Julien mit dem Finanzkrisenfilm „Playtime“ in der Sammlung Wemhöner, einem der vielen Sidekicks des Wochenendes. BRIGITTE WERNEBURG