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Archiv-Artikel

Den Nordsee-Fischen wird es langsam zu heiß

Die Wassertemperatur liegt 3 Grad über dem Mittel. Wissenschaftler befürchten ein massenhaftes Artensterben

OSLO taz ■ Die Badesaison an der Nordsee dürfte in Zukunft länger dauern. Das verspricht ein Bericht des staatlichen norwegischen Meeresforschungsinstituts „Havforskningsinstituttet“. Ihm zufolge sind in diesem Jahr rekordhohe Wassertemperaturen in der Nordsee gemessen worden. „Niemals in einem Oktober war die Nordsee so warm“, sagte Tore Johannessen, Meeresforscher am genannten Institut. Die Durchschnittstemperatur von 14,2 Grad in einem Meter Tiefe lag fast 3 Grad über dem Durchschnitt der Jahre seit 1920. Sie liegt auch über dem letzten Oktober-Rekord mit 12,9 Grad. Für Johannessen ein „extremer Ausschlag nach oben“.

Die Aussicht, dass an der norwegischen Südküste im Oktober noch die Badefreude genossen werden kann, ist für den Biologen alles andere als ein Grund zur Freude. Die hohen Temperaturen bedrohen die bereits durch Überfischung und Umweltverschmutzung gefährdete Fischpopulation in der Nordsee.

Die Temperaturänderungen fallen zusammen mit einem kräftigen Schrumpfen des Jungfischbestandes. Bei Arten wie Kabeljau und Hering betrage er nur noch ein Fünftel des Bestands. Das warme Wasser drohe auch zu einer Änderung der Algenpopulation zu führen, was Meeresbiologen als äußerst beunruhigend einschätzen. Womöglich würden zwar in Zukunft auch Fischarten, die man bislang nur in südlicheren Gewässern finde, Einzug in die Nordsee halten. „Doch eher“, so befürchtet Johannessen, „müssen wir wohl damit rechnen, dass es hier bald so gut wie gar nichts mehr zu fischen gibt.“

Ein Grund für das warme Wasser ist der Rekordsommer dieses Jahres. „Aber neben dieser speziellen Ursache kann man einen allgemeinen Trend beobachten“, glaubt Johannessen: „Die Nordsee ist nun praktisch, das ganze Jahr über gerechnet, 2 Grad wärmer als vor 1990.“ Da dieser Trend sich an der gesamten Küste Norwegens bis in die Polarregion bemerkbar mache, spiele die globale Erwärmung wohl eine maßgebliche Rolle.

Zu einem Klimathema meint das norwegische „Havforskningsinstituttet“ allerdings Entwarnung geben zu können. Am Freitag stellte man in einer Presseerklärung Behauptungen britischer Forscher in Frage, wonach der Golfstrom vor zwei Jahren zehn Tage lang „gestoppt“ haben sollte. Die eigenen Strömungsanalysen, die man seit 1997 vornehme, wiesen zwar auf teilweise kräftige Schwankungen hin. Und gerade im Jahre 2004 sei eine relativ geringe Einströmung von warmem salzhaltigem Wasser ins Barentsmeer registriert worden. Doch einen zeitweiligen gänzlichen Stopp habe man nicht feststellen können. Im Gegenteil sei die Periode von 2001 bis 2005 die wärmste seit einhundert Jahren gewesen. REINHARD WOLFF