: Buhrufe für den Kulturmeister
Kulturschaffende fühlen sich ohne eigenen Senator nicht mehr in der Landesregierung repräsentiert. Wenn der Regierende Bürgermeister die Aufgabe im Nebenjob erledige, würden nur Großprojekte wahrgenommen. Off-Szene gerate aus dem Blick
VON NINA APIN
Berlins Kulturschaffende wollen sich nicht von einer Teilzeitkraft im Senat repräsentieren lassen. Die rot-rote Koalition hatte am Montag verkündet, auf einen Kultursenator zu verzichten. Den Job sollen künftig der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und ein Staatssekretär erledigen.
„Kultur wird zur Nebensache werden“, befürchtet die ehemalige grüne Kultursenatorin Adrienne Goehler. Wowereit und dem als Staatssekretär gehandelten Leiter der Senatskanzlei, André Schmitz, unterstellt sie einen eher affirmativen Kulturbegriff. „Der eine hat’s mehr mit der Schönheit, der andere mag das Eventhafte“, stichelt die freie Kuratorin. Der Seitenhieb gilt Schmitz, der früher an der Deutschen Oper war. Dabei bräuchten gerade kleine Projekte einen Dialogpartner, der sich für ihre Belange einsetze, so Goehler.
Auch Matthias Lilienthal, Intendant des Theaters Hebbel am Ufer (HAU), fürchtet, dass unter Wowereits Ägide die Kultur zu kurz kommen wird. „Bürgermeister ist ein Fulltimejob, Kultursenator auch“, meint Lilienthal, „wir dürfen uns glücklich schätzen, wenn sich Herr Wowereit die Hälfte seiner Zeit um Kultur kümmert“. Dann dürfe nicht nur über Opern diskutiert werden. Denn die freie Szene sei prägend für die Stadt. Lilienthal hofft, dass Wowereit sein Versprechen, bei der Kultur nicht zu sparen, auch halte: „Für den eigenen Bereich wird er sich sicher besonders einsetzen.“
Amelie Deuflhard, Leiterin des Theaterhauses Sophiensaele in Mitte, sieht die Gefahr, dass Wowereit mangels Zeit nur Großprojekte wahrnehme. „Die Berliner Kulturlandschaft ist riesig und enorm vielfältig, wer sie gestalten will, muss sie auch überblicken, sonst kann er falsche Entscheidungen treffen“, warnt die Intendantin. Bei einem Teilzeit-Senator falle das neugierige Sichumsehen in der Szene weg, glaubt Deuflhard. Kleine Theater, Tanzcompagnien, Clubs und freie Künstler würden kaum wahrgenommen. Besonders fatal sei, dass die Kultur im Senat künftig keine eigene Stimme mehr hat, findet Deuflhard. Auch im Abgeordnetenhaus hat ein Staatssekretär kein Rederecht.
Unproblematisch ist die Umstrukturierung dagegen für Bernd Wilms, Intendant des Deutschen Theaters. Entscheidend sei allein die Kompetenz der beteiligten Personen, sagte er. „Als jemand, der das Kulturinteresse des Regierenden Bürgermeisters kennt und der André Schmitz sehr genau aus der Arbeit kennt, halte ich das für eine gute Lösung.“
Auch Florian Schöttle, Atelierbeauftragter des Landes, mag in die Buhrufe aus der Kulturecke nicht einstimmen. Er habe Wowereits großes persönliches Engagement für die Kunst erlebt und vertraue auf eine kooperative Umgangsweise. „Für die Außenwirkung ist es allerdings schade, dass die Kultur keinen eigenen Kopf hat“, sagte er der taz.
Am unaufgeregtesten sieht den Wechsel eine Mitarbeiterin des Künstlerhauses Bethanien. „Endlich wurde mal eine staatliche Stelle eingespart. Und Wowereit wird das schon machen.“
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