„Ich bin eine von euch“

HALTUNG Waridi Schrobsdorff stammt aus Kenia, modelt in Berlin und versteht die ganze Aufgeregtheit nicht. Ein Plädoyer für selbstbewusstes Auftreten im deutschen Alltag

VON WARIDI SCHROBSDORFF

Wenn es um Integration in Deutschland geht, ist die Debatte sofort sehr negativ besetzt. Die Sarrazin-Diskussion hat hier ein „Feuer“ entfacht – allerdings ein ziemlich selbstzerstörerisches. Denn die meisten verharren in der „Endlich sagt das mal einer“-Pose. Es geht um Bestätigung von Vorurteilen – nicht um positive Handlungsansätze.

Dabei kommt es entscheidend darauf an, aus welcher Haltung man an so etwas herangeht: Bei einer Begegnung ist es wichtig, dass man sich nicht von vornherein selbst in eine klischeehafte Rolle hineinbegibt. Sondern vielmehr auch andere Wahrnehmungen zulässt. Wenn ich in ein Restaurant gehe, gucken mich vielleicht alle an. Aber ich denke dann doch nicht: „Oh Gott, ich bin die einzige Farbige hier“, sondern gehe davon aus, dass die Leute mich anschauen, weil ich so groß bin. Oder weil sie denken: „Wow, die sieht ja gut aus!“

Doch Meinungen werden stets pauschalisiert und kollektiv verkauft. Warum können wir nicht ganz normal mit den Sachen umgehen, die uns wirklich betreffen: Ich wohne in Neukölln, verdiene nicht so viel Geld – darum geht es mir, nicht um Hautfarbe oder Religion.

Wenn ich irgendeinen Auftrag in meinem Beruf als Model nicht bekam, bin ich selbstverständlich davon ausgegangen, dass objektive Kriterien dagegensprachen, dass ich nicht der passende Typ bin. Aber nie, dass das etwas mit meiner Hautfarbe zu tun haben könnte.

Ich habe eine positive Einstellung zum Leben und versuche, negative Ereignisse und Begegnungen nicht auf meine Person zu reduzieren, sondern den Ball zurückzuspielen. Wenn ich beim Einkaufen im Supermarkt angemuffelt werde, frage ich mich, ob der Mensch an der Kasse vielleicht schlechte Laune hat – aber fühle mich nicht sofort als „Ausländerin“ diskriminiert.

Dass ich anscheinend eine „Farbe“ habe, musste man mir erst beibringen – als ich in New York gearbeitet habe, habe ich das zum ersten Mal gemerkt. Da haben mich Leute gefragt: Denkst du so, weil du aus Kenia stammst und farbig bist?

Eigentlich habe ich gar keine Erfahrung mit rassistischen Angriffen, ich seh mich so, wie ich bin: Ich lebe in Deutschland, mache hier meine Arbeit. Und jede Person kann etwas ändern: Meine Tochter ist 14 – ich „integriere“ sie ins normale Leben, nicht an Religion oder Farbe orientiert.

Ich plädiere für mehr Selbstbewusstsein: Wenn Fernsehsender jetzt Menschen mit anderer Hautfarbe und anderem kulturellen Hintergrund einstellen, wäre es doch schrecklich, wenn sie das nur aus Mitleid machen oder das zur Political Correctness dazugehört. Nein, die nehmen die, weil sie intelligent sind, gute Arbeit machen und etwas Neues zum Programm beitragen. Wenn ich zu Hause in Berlin meine Tür öffne, dann mit der Einstellung: Ich gehöre dazu, ich bin eine von euch – und trage kein Schild vor mir, auf dem draufsteht „Ich bin irgendwas anderes“.

Waridi Schrobsdorff, 47, Model und Modesignerin