: „Absurde juristische Vorwürfe konstruiert“
Der Ex-Cap-Anamur-Chef Bierdel rechnet mit jahrelangem Verfahren, „während tausende auf dem Meer sterben“
taz: Herr Bierdel, sind Sie Mitglied einer Schlepperbande?
Elias Bierdel: Nun, ich bin wegen Beihilfe zur illegalen Einreise, sprich: wegen Schlepperei angeklagt, in einem besonders schweren Fall, weil wir mehr als sechs Personen gerettet haben, und wir haben das auch laut Staatsanwaltschaft „bandenmäßig“ durchgeführt. Was heute neu war im Vortrag des Staatsanwaltes zum Prozessauftakt, war die Argumentation, wie wir daraus Profit schlagen wollten.
Und wie wollten Sie Geld machen?
Sie werfen uns vor, wir hätten versucht, Fernsehbilder zu verkaufen, und sie stützen sich dabei auf die Aussage eines NDR-Journalisten. Der hat bei seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft seinerzeit den Eindruck erweckt, wir hätten hier versucht, Geschäfte zu machen.
Ohne den Vorwurf, Sie hätten Geld machen wollen, kann man Sie nicht verurteilen.
Ich fand die Äußerungen des Oberstaatsanwaltes Ignazio De Francisci in der Sonntagssendung von „Titel Thesen Temperamente“ sehr aufschlussreich. Erst konstruiert er absurde juristische Vorwürfe – dann aber argumentiert der Staatsanwalt plötzlich nicht mehr juristisch, sondern politisch. Er spricht von „trojanischen Pferden“ im Zusammenhang mit unserer humanitären Arbeit, von der Gefahr, da könnten neue Zugangswege nach Italien entstehen, von der Notwendigkeit, das zu verhindern.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich verbringe die nächsten Jahre meines Lebens mit diesem völlig absurden Verfahren, während kein einziger Prozess angestrengt wird gegen Schiffe, die an Flüchtlingen einfach vorbeifahren. Und noch in dieser Woche – die Parallelität mit unserem Prozess ist beeindruckend – soll hier in Agrigent das Verfahren gegen den Kapitän der „Minerva“ eingestellt werden. Das ist das italienische Kriegsschiff, das am 18. August ein Flüchtlingsboot gerammt hatte, mit zahlreichen Toten, vorneweg Kindern.
Weshalb glauben Sie, dass Ihr Prozess Jahre dauern wird?
Die Staatsanwaltschaft hat 60 Zeugen aufgeboten, da müssen wir gegenhalten. Ich habe die Geschehnisse schon detailliert aufgeschrieben, in dem Buch „Ende einer Rettungsfahrt“, das vor zwei Monaten erschienen ist, aber die, die da zu Wort kommen, werden natürlich alle auch im Prozess aussagen. Der findet mit etwa einem Termin pro Monat statt. Für mich ist das alles ärgerlich – erschütternd aber ist, dass wir hier jahrelang sitzen, während hunderte, ja tausende weiter auf dem Meer sterben. INTERVIEW: M. BRAUN