IN ITALIEN SETZT SICH SILVIO BERLUSCONI WIEDER GESCHICKT IN SZENE
: Gute Chance, aber keine Gelegenheit

Wenn man Silvio Berlusconis Leibarzt glauben darf, dann ist der Mann „technisch eigentlich unsterblich“. Am Samstag jedenfalls präsentierte sich der italienische Oppositionsführer hunderttausenden, ja vielleicht einer Million seiner Anhänger wieder einmal als energiegeladener Kämpfer gegen „die Kommunisten“, die in Rom regieren und das Volk mit Steuern schikanieren.

Vielleicht nicht „technisch“, aber politisch erscheint der Mann, der vor acht Monaten die Wahlen verlor, wirklich unsterblich. Er weiß, dass er mit seinen populistischen Ausfällen die Stimmung großer Teile der rechten Wählerschaft perfekt wiedergibt, weiß, dass sein Wahlbündnis trotz der Niederlage stabil die Hälfte der italienischen Wähler auf seiner Seite hat – und er weiß, dass bei möglichen Neuwahlen kein Weg an ihm als Spitzenkandidaten der Rechten vorbeiführt. Als Spitzenkandidaten mit derzeit guten Aussichten auf einen Wahlsieg übrigens. Sein Problem ist nur: Der Weg zu schnellen Neuwahlen öffnet sich erst nach einem Scheitern der Regierung Prodi. Gewiss, der Ministerpräsident hat bloß eine Stimme Mehrheit im Senat, doch anders als von Berlusconi erwartet, denkt die Linkskoalition gar nicht daran, einfach so auseinanderzubrechen. Allzu klar ist allen im Regierungslager, dass das eigne Scheitern den unvermeidlichen Triumph Berlusconis nach sich zöge.

Warten aber kann der Oppositionsführer nicht. Lifting und Haartransplantationen sorgen zwar für Fernsehbilder, in denen er in alter Frische rüberkommt, doch der Mann ist 70. Niemand glaubt an ein erneutes Duell Prodi – Berlusconi im Jahr 2011. Und vor allem wollen Berlusconis Alliierte nichts von so einem Duell wissen. Einer der Partner, Pierferdinando Casini von der christdemokratischen UDC, kam erst gar nicht zur Demo, er erklärt Berlusconi ganz offen zum Auslaufmodell. Der andere selbsternannte Kornprinz, Gianfranco Fini, stand dem Oppositionsführer zwar treu zur Seite, aber bloß, um ihn zu beerben. Berlusconi konnte noch einmal seine Stärke demonstrieren; wahrscheinlich war der Auftritt dann aber doch nur eines: ein starker Abgang. MICHAEL BRAUN