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Archiv-Artikel

Arm dran

Putin-Kritiker Kasparow soll aus Geldgründen aus der Sendung „Sabine Christiansen“ ausgeladen worden sein

Für 18.30 Uhr am frühen Sonntagabend hatte die Redaktion des ARD-Talks „Sabine Christiansen“ die Schalte nach Moskau angesetzt – dort sollte der Kreml-Kritiker Garri Kasparow, bekannt geworden als Schachweltmeister, Rede und Antwort zum Thema der Sendung stehen: „Die Russen kommen“. Das aufgezeichnete Interview sollte innerhalb der Live-Talkshow gesendet werden.

Als Kasparow wegen technischer Probleme kurzfristig wieder ausgeladen wurde, führte er dies im Gespräch mit „Focus Online“ auf eine Intervention des ebenfalls eingeladenen russischen Botschafters in Berlin, Wladimir Kotenev, zurück. Den technischen Grund hielt er für „vorgeschoben“.

Technikpanne oder Politikum – kommt ganz drauf an, wen man fragt: Michael Ortmanns, Sprecher der Christiansen-Produktionsfirma TV21, verbürgte sich im Gespräch mit der taz für die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion: „Weder hat Herr Kotenev darum gebeten, Herrn Kasparow auszuladen, noch hätten wir dieser Bitte entsprochen, wenn er sie geäußert hätte.“ Auch Kasparows Vorwurf einer einseitigen Einladungspolitik weist er zurück: „Die Sendung war ausgeglichen – auch ohne Herrn Kasparows Teilnahme.“ Als Kreml-Kenner und -Kritiker hob Ortmanns besonders den eingeladenen Publizisten Jürgen Roth hervor. Außerdem zu Gast: Schriftsteller Wladimir Kaminer, Journalistin Gabriele Krone-Schmalz und CDU-Politiker Volker Bouffier.

Entgegen Kasparows Vermutungen führt die Redaktion nach mehreren Anläufen gegenüber der taz einen viel pragmatischeren Grund für Kasparows Ausladung an: Geld. Eine Schalte nach Moskau sei zu dem verabredeten Zeitpunkt zu teuer gewesen, hieß es. Näheres dazu war leider nicht in Erfahrung zu bringen. Vielleicht war der Grund für Kasparows Ausladung also ein ganz banaler. Oder wollte man den Grund nicht konkretisieren, weil er doch vorgeschoben war?

Christiansen-Sprecher Ortmanns wundert sich derweil sehr über die Kehrtwende in Kasparows Verhalten. Bei der Absage seines Auftritts sei der Ton „noch sehr freundschaftlich“ gewesen. Man habe sogar vereinbart, Herrn Kasparow ins Studio nach Berlin einzuladen, „wenn wir nochmal eine Sendung zum Thema Russland machen. Dieses Angebot steht von unserer Seite aus auch noch.“

Garri Kasparow selbst stand der taz leider nicht für ein Interview zur Verfügung. Sein Handy war bis Redaktionsschluss ausgeschaltet. DAVID DENK