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Archiv-Artikel

„EU könnte Rauchverbote durchsetzen“

Der Chef des Gesundheitsausschusses im Europaparlament Karl-Heinz Florenz (CDU) ärgert sich über den Berliner „Eiertanz“ um den Nichtraucherschutz. Er drängt seine Parteifreunde in den Ländern zur Eile. Notfalls könne auch Brüssel handeln

INTERVIEW GEORG LÖWISCH

taz: Herr Florenz, der Bund kriegt Rauchverbote in der Gastronomie nicht geregelt, ob in den Ländern etwas passiert, ist fraglich. Muss Europa ran?

Karl-Heinz Florenz: Eine schnelle deutsche Regelung wäre richtig. Die Bundesländer sollen ihre neue Kompetenz ausschöpfen. Das kann doch wohl nicht angehen: Wir sitzen in einem Restaurant und da verqualmen die einen die Luft der anderen, nur weil die Politik den Nichtraucherschutz nicht hinkriegt.

Was, wenn es nicht klappt?

Das wäre ein Armutszeugnis: Wir bauen die modernsten Autos der Welt, und beim Nichtraucherschutz schaffen wir nicht die Situation, die anderswo in Europa selbstverständlich ist. Wenn der Eiertanz um den Nichtraucherschutz in Deutschland kein Ende findet, wird das eben die EU auf die Beine bringen.

Könnte Europa das regeln?

Europa könnte. Zum Beispiel über das Vorhaben der Europäischen Kommission, eine Richtlinie über Höchstwerte für die Innenraumbelastung vorzuschlagen. Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten könnten damit europaweit durchgesetzt werden. Wir haben auch das Instrument europäischer Arbeitsschutzvorschriften. Es geht schließlich auch um Mitarbeiter, die im Qualm arbeiten müssen.

Dieselben Juristen, die vor Monaten erklärt haben, der Bund sei nicht für Gaststättenverbote zuständig, sagen: Die EU geht das auch nichts an.

Da können Sie ja fragen, was Sie wollen, Sie kriegen immer unterschiedliche Antworten. Manchmal ist Politik auch dazu da, ganz normal den gesunden Menschenverstand zu benutzen. Menschen sterben wegen des Rauchs. Da können die Juristen sagen, was sie wollen.

Sie ärgern sich?

Wir haben vor einigen Monaten in Brüssel über eine städtische Umweltrichtlinie gesprochen. Es ging um Feinstaub in den Städten. Da streiten wir uns über 30 oder 50 parts per million. In einer Gaststätte reden wir über einen Wert von 800 und in einer Diskothek von 1.800. Ich würde die Kollegen in den Ländern bitten, mal gerade in den Schuhen stehen zu bleiben und sich die Argumente anzuhören.

Meinen Sie auch Ihre Parteifreunde von der CDU?

Als jemand in der CDU sage ich mal Folgendes: 350 Menschen sterben täglich in Deutschland an den Folgen des Rauchens. Hat das keine Bedeutung? Da ist 350-mal Elend, Kummer, Leid, Schmerz. Familien werden auseinandergerissen. Die juristischen Argumente über Zuständigkeiten sind wahrscheinlich richtig. Sie dürfen aber nicht zu Verzögerungen führen. Auch die CDU muss dafür sorgen, dass Rauchen etwas Anormales wird.

Zurück zur EU: Wie sollen sich 27 EU-Staaten einigen, wenn es zwei Koalitionspartner nicht schaffen. Oder 16 Länder?

Wir haben gerade die Chemikaliengesetzgebung abgeschlossen. Alle EU-Staaten haben Ja gesagt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

2007 soll die Tabakrahmenrichtlinie der EU erneuert werden. Was wird da passieren?

Wir werden das Verursacherprinzip einführen. Die Tabakindustrie wird dann die Konsequenzen ihrer Produkte öffentlich darlegen müssen. Über kurz oder lang werden sie die Kosten dafür übernehmen müssen.