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Archiv-Artikel

Viel Lärm um Turbinen

Die Protestgruppen gegen den Flughafenausbau in NRW sind vom neuen Bundesgesetz gegen Fluglärm enttäuscht. Die Grenzwerte seien zu hoch, die bisherigen Schutzzonen gefährdet

VON MORITZ SCHRÖDER

Protestgruppen in NRW schreien gegen das neue Fluglärmgesetz aus dem Bundesumweltministerium an. Einhellig kritisieren die Initiativen gegen Fluglärm die neue Version, weil sie hinter den bestehenden Schutzauflagen der Flughäfen zurückbleibe und zu hohe Grenzwerte festlege. „Den neuen Gesetzestext hätten wir uns sparen können“, sagt Wolfgang Hoffmann von der Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn. Auf die Belange der Betroffenen sei keine Rücksicht genommen worden. NRW ist mit seinen neun überregionalen Flughäfen ein Schwerpunkt des Protests in Deutschland.

Am Donnerstag wurde mit der Novelle des Fluglärmgesetzes die bisherige Version aus dem Jahr 1971 abgelöst. Kern der neuen Fassung sind die veränderten Grenzwerte für den Lärmpegel. In Zukunft liegt die maximal erlaubte Lautstärke zwischen 55 und 65 Dezibel und damit um zehn bis 15 Dezibel niedriger als zuvor. Außerdem wird erstmals eine Nachtschutzzone festgeschrieben. Daher kündigte das Bundesumweltministerium unter Leitung von Sigmar Gabriel (SPD) mit der Novelle auch einen höheren Schutz vor Fluglärm an.

„Diese Regelung deckt noch nicht mal die bestehenden Lärmschutzzonen ab“, kritisiert dagegen Flughafengegner Hoffmann. Seit Anfang der 90er Jahre zahlt der Flughafen Köln/Bonn den AnwohnerInnen, die im Störbereich wohnen, den passiven Lärmschutz ihrer Häuser. Dadurch liegt der Pegel im Innenraum bei höchstens 55 Dezibel. Laut Hoffmann sind aber schon 45 Dezibel gesundheitsschädlich. Er beruft sich auf medizinische Studien (siehe unten). „Köln/Bonn hat von dem neuen Gesetz überhaupt nichts“, folgert er. Außerdem sei die Kernruhezeit von 24 bis fünf Uhr, eine der Hauptforderungen der Lärmschutzgemeinschaft, nicht ins Gesetz eingegangen.

Joachim Hans Beckers von der Bürgerinitiative Umweltschutz Ratingen sieht ebenfalls keinen Fortschritt durch das Gesetz: „Für die Düsseldorfer Anwohner hat das Gesetz große Macken.“ Auch dort schreibt die Genehmigung, die das Landesverkehrsministerium Ende 2005 erteilt hat, bereits einen besseren Schallschutz vor, als im Lärmschutzgesetz: 60 Dezibel höchstens tagsüber, 50 Dezibel bei Nacht. Wegen der großzügigeren Grenzwerte im Gesetz sei zu befürchten, dass das Landesverkehrsministerium jetzt mit den Flughäfen kleinere Schutzzonen vereinbare. „Die Senkung der Grenzwerte hätte dann keinen spürbaren Effekt für die Anwohner“, so Beckers. Dem widerspricht Sonja Schröder, Sprecherin des Flughafens, und verweist auf die geltende Genehmigung.

Horst Becker, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, schließt sich der Kritik an: „Das neue Fluglärmgesetz schützt nicht vor Fluglärm, sondern viel mehr die Flughäfen vor Bürgern und Kommunen.“ Im Bundestag hatte außer den Regierungsparteien SPD und CDU nur die FDP für das Gesetz gestimmt. Dem Gesundheitsschutz werde es „in keiner Weise gerecht“, so Becker.

Die Flughafenbetreiber in NRW sind hingegen sehr zufrieden. „Wir haben auf freiwilliger Basis eingeführt, was jetzt im Gesetz steht“, sagt Walter Römer, Sprecher des Flughafens Köln/Bonn. 17.000 Anwohner-Innen würden durch die laufende Genehmigung vor Lärmbelästigung geschützt. Sonja Schröder vom Düsseldorfer Flughafen lobt die „zeitgemäße Anpassung“ des Gesetzes.